Sandwich-Falle: Wie Sie sich als Führungskraft Freiraum schaffen

Viele Führungskräfte sitzen heute permanent zwischen den Stühlen und stecken in der Sandwich-Falle fest.Abteilungsleiter, Team- und Bereichsleiter sollen die ambitionierten Zielvorgaben des Top-Managements auf die Straße bringen und genau das löst bei ihren eigenen Mitarbeitern nicht immer Freudenschreie aus. Viele dieser Sandwich-Führungskräfte fühlen sich den Anforderungen von oben und den Erwartungen von unten nicht mehr gewachsen. Hinzu kommt, dass die meisten Unternehmen in den letzten Jahren Hierarchien abgebaut und das mittlere Management gestrafft haben. Die Folgen: Größere Führungsspannen, mehr Verantwortung, ein umfangreicheres Aufgabenspektrum. Aus der Perspektive Karriere getriebener Führungskräfte eine positive Sache, doch die Sandwich-Position wird für viele Chefs immer mehr zur erdrückenden Last. 

Wenn Führungskräfte in die Sandwich-Falle geraten

Die Lehmschicht ist weg

Das mittlere Management musste sich 2008 vom damaligen Siemens-Chef Peter Löscher anhören, es sei die „Lehmschicht in Unternehmen“. Unauffällige Mitarbeiter, die den Weg zur Umsetzung der Unternehmensziele verstopfen. Führungskräfte, die sicher im Sattel sitzen und alle Annehmlichkeiten dieser Positionen zu schätzen wissen. Mit dem Abbau dieser in der Folge auch gerne als Lähmschicht bezeichneten Strukturen hat Siemens damals öffentlich begonnen. Die Auswirkungen sind heute in vielen Unternehmen spürbar: Gesunkene Personalkostenquoten, aber dafür Führungskräfte, die täglich den Spagat zwischen guter Mitarbeiterführung und fachlicher Expertise zu meistern versuchen und daran nicht selten an ihre Grenzen stoßen.

Stellen streichen reicht nicht

Wenn mir eine Führungskraft aus dem mittleren Management im Coaching berichtet, dass sie ihre inzwischen 30 Mitarbeiter kaum noch zu Gesicht bekommt, weil sie 5 Tage die Woche fast am Stück von Meeting zu Meeting hetzt und an Mails und Konzepten nur abends in Ruhe zu Hause arbeiten kann, dann läuft da etwas schief. Wer als Unternehmen nur Stellen streicht, gleichzeitig aber an den alten und meist zu starren Management- und Führungsprozessen festhält, betreibt reinstes Gewinn orientiertes Cost-Cutting zulasten der verbleibenden Mitarbeiter und damit auch des Unternehmens. Ganz nach dem Motto „Herr Müller schafft auch noch weitere 15 Mitarbeiter und freut sich über die höhere Verantwortung“. Dass Herr Müller damit in dieser Sandwich-Fall ungefragt zum Personalverwalter wird und seine fachlichen Kompetenzen immer weniger für das Unternehmen einsetzen kann, ist zweitrangig.

Die Führungskraft als Brandlöscher

Viele Führungskräfte in Sandwich-Positionen sehen sich daher heute nur noch als Brandlöscher. Wenn ihre Mitarbeiter in Ermangelung ausreichender Zeit für Führung Fehler machen, müssen sie es schnell wieder glattbügeln, bevor es weitere Kreise zieht. Wenn die eigenen Vorgesetzten aus dem Top-Management möglichst gestern die Umsatzzahlen von morgen benötigen, dann steht die nächste Nachtschicht an. Und dann gibt es ja auch noch die gleichzeitig laufenden 20 Projektgruppen, die allesamt strategisch wichtig sind und mit höchster Priorität ausgezeichnet wurden. Und wenn dann noch die eigenen Mitarbeiter mit fachlichen Fragen, Urlaubsanträgen oder dem Wunsch nach Fortbildungen „stören“, dann ist das Fass oft kurz vorm Überlaufen. Eine Überforderungsspirale, aus der manche Sandwich-Führungskraft nur schwer wieder alleine herausfindet. Was können Führungskräfte im mittleren Management sowie das Top-Management tun, um diese Situationen erst gar nicht entstehen zu lassen?

5 Tipps, wie Sie sich als Führungskraft aus der Sandwich-Falle befreien können

1 | Wertekonflikte erkennen und klären

Jede Führungskraft sollte zunächst ein Bewusstsein über die eigenen Werte und Ziele im Job entwickeln. Danach geht es darum herauszufinden, welche Werte im Top-Management vorherrschen und welche Werte die eigenen Mitarbeiter besonders schätzen. Hören Sie genau hin und achten Sie im täglichen Miteinander darauf, warum Ihre Kollegen sich so und nicht anders verhalten und was sie in ihrem Verhalten antreibt. Verstehen Sie die Motivation hinter bestimmten Handlungen und Reaktionen. Gibt es Wertekonflikte? Wahrscheinlich ja, denn das Top-Management verfolgt meist andere Ziele als ein Mitarbeiter. Wenn Ihnen diese Wertekonflikte bewusst sind, können Sie entscheiden, was dies für Ihre Führung sowie Ihr Verhalten gegenüber Vorgesetzten und Mitarbeitern bedeutet.


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2 | Wertschätzung und Handlungsspielräume schaffen

Das mittlere Management erfüllt eine zentrale Rolle im Unternehmen. Es bildet die Verbindung zwischen Vorstand, Geschäftsführung oder Inhabern hin zur produktiven Wertschöpfung. Die beste Strategie in der Schublade des Vorstands ist das Papier nicht wert, solange sie nicht im Unternehmen über alle Hierarchien hinweg gelebt und operativ umgesetzt wird. Führungskräfte sind Vorbilder für ihre Mitarbeiter. Sie transportieren die Vision und die Ziele des Top-Managements an die Basis.

Es gilt, die oftmals viel zu unsichtbaren Leistungsträger des mittleren Managements durch Wertschätzung ihrer Position und ihrer Leistungen stärker sichtbar zu machen. Hierzu gehören neben einer klaren Kommunikation aus Richtung des Top-Managements auch die Übertragung von angemessen großen Handlungsspielräumen auf das mittlere Management. Wenn sich ein Vertriebsleiter die Bestellung von Kopierpapier bei seinem Vorstand absegnen lassen muss, gleichzeitig aber pro Monat 1 Mio. Euro Umsatz auf die Straße bringen soll, dann ist hier etwas ziemlich unausgewogen.

Auch Sie als Führungskraft können (und dürfen!) für sich größere Handlungsspielräume einfordern. Sagen Sie Ihrer Chefin oder Ihrem Chef, was Sie brauchen, um einen guten Job machen zu können und um sich aus dem Druck der Sandwich-Falle zu befreien. Wenn es funktioniert, nehmen Sie Ihrem Chef damit vielleicht sogar noch Arbeit ab ;-)

3 | Einbeziehung in Entscheidungen

Viele Sandwich-Manager beklagen, dass sie nicht ausreichend in die Entscheidungsprozesse des Top-Managements einbezogen werden. Sie sehen sich nur noch als Erfüllungsgehilfen und Handlanger und stehen oft nicht hinter den Vorgaben von oben. Sich nicht mit seiner Arbeit oder den Produkten und Leistungen des eigenen Unternehmens identifizieren zu können ist auf Dauer der Motivationskiller schlechthin.

Mein Tipp: Warten Sie als Führungskraft nicht darauf, dass Ihr Chef Sie bittet, Ihren Input zu bestimmten Entscheidungen beizusteuern. Bringen Sie sich aktiv ein und fragen Sie, ob Sie an Sitzungen teilnehmen oder Vorschläge ausarbeiten und dort vorstellen dürfen. Ihr Wissen über die operativen Prozesse im Unternehmen und die stärkere Nähe zu Kunden und Lieferanten ist von hohem Wert für das Top-Management. Bringen Sie dies ein!


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4 | Mehr Zeit für sich selbst

Dies ist der meist genannte Wunsch von Führungskräften, die für ein Coaching zu mir kommen. Raus aus dem sich immer schneller drehenden Hamsterrad. Schluss mit dem Löschen der ständig neu auflodernden, unkontrollierbaren Brände. Sich endlich wieder um die Dinge im Job kümmern, die wirklich wichtig sind: Gezielte Entwicklung von Mitarbeiterpotenzialen. Den eigenen Bereich konzeptionell voranbringen. Qualität der Ergebnisse des Teams nachhaltig steigern. Einmal in Ruhe über etwas nachdenken. Und natürlich nicht zuletzt auch die eigenen, persönlichen Ziele im Job verfolgen.

„Mehr Zeit für mich“ bedeutet dabei nicht weniger Arbeit oder mehr Freizeit. Es steht vielmehr für ein weniger fremdgesteuertes und mehr selbstbestimmtes Arbeiten. Weniger Einmischung von oben, sondern mehr Vertrauen in die Entscheidungen und Handlungen der Führungskräfte des mittleren Managements. Mehr Unabhängigkeit und stärkere Freiheit im Denken und Handeln sind Werte, die sich viele Führungskräfte in diesen Positionen wünschen.

„Mehr Zeit für mich“ bedeutet im wahrsten Sinne des Wortes aber auch mehr Zeit des Vorgesetzten für seine Führungskraft. Auch auf diesen Ebenen in Unternehmen muss Führung stattfinden, was Zeit des Top-Managers und ein offenes Ohr für die Anliegen seiner Führungskräfte bedeutet. Gerade in dieser Führungsposition ist es wichtig, dass Feedbacks des mittleren Managements gehört und ernst genommen werden sowie in die zukünftigen Entscheidungen sichtbar einfließen. Auch Kritik darf von unten nach oben geübt werden! Viele Vorstände freuen sich darüber, wenn sie ein ehrliches und wertschätzendes Feedback – auch kritische Punkte – unverblümt und ohne Schleimspur erfahren.

5 | Den eigenen Führungsstil finden

Keine Frage, die Sandwich-Manager bekleiden eine anspruchsvolle und gleichsam wichtige Position. Umso wichtiger ist es, dass sie ein aktives Commitment „ihres“ Top-Managements zur Unterstützung erfahren. Welche und wieviel Unterstützung Sie als Sandwich-Manager von Ihrer Führungskraft benötigen, darüber entscheidet nicht Ihr Chef oder Ihre Chefin allein, sondern auch Sie. Kommunizieren Sie klar, was Sie benötigen und fordern Sie dies auch selbst ein.

Das gleiche gilt für die Führung Ihrer eigenen Mitarbeiter. Sie entscheiden, was ein guter für Sie passender Führungsstil ist. Zu den aus meiner Sicht wichtigsten drei Führungsprinzipien habe ich neulich geschrieben. Finden Sie heraus, was Ihre Mitarbeiter motiviert und entscheiden Sie in Ihrem Handlungsrahmen und unter Beachtung der Unternehmensziele, was gut für Ihre Mitarbeiter und Sie selbst ist.

Arbeiten Sie nur die Vorgaben von oben ab oder ist es Ihnen wichtig, in dieser Position auch Ihre eigenen Ziele und Werte zu verfolgen? Es ist Ihre Entscheidung, ob Sie im Sandwich zerdrückt werden oder ob es Ihnen schmeckt und Sie die Chancen und Vorteile dieser Führungsposition für sich erkennen und nutzen. Vielleicht ist es zwischen den Stühlen gar nicht so unbequem, wie Sie heute als Führungskraft vielleicht denken.

Was sind Ihre Erfahrungen in Sandwich-Positionen und wie schaffen Sie es, es beiden Seiten und auch sich selbst recht zu machen?

Ich freue mich auf den Austausch mit Ihnen und über Ihre Kommentare.

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Dr. Bernd Slaghuis

Ich arbeite als Karriereberater & Bewerbungscoach und habe mich auf Themen rund um die Karriereplanung und berufliche Neuorientierung spezialisiert. Seit 2011 habe ich über 2.000 Angestellte bei ihrem nächsten Schritt im Beruf sowie im Bewerbungsprozess begleitet - über alle Hierarchieebenen und Branchen hinweg - Online oder in meinem Kölner Büro. Meine Erfahrungen teile ich hier im Blog, in meiner SPIEGEL-Kolumne sowie als XING Insider und LinkedIn Top-Voice.

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Dieser Beitrag hat einen Kommentar
  1. Sehr geehrter Herr Slaghuis,

    vielen Dank für diesen Beitrag, ich erlebe das in meiner Praxis genauso. Und gute Führung macht aus meiner Sicht auch aus, dass man auf sein eigenes Kohärenzgefühl (Gefühl nach Stimmigkeit) achtet wie das seiner Mitarbeiter. Dazu braucht es den von Ihnen beschrieben Handlungsspielraum, den in der Tat das mittlere Management heute häufig nicht mehr hat, sowie die Aussicht, dass Dinge vorhersehbar sind und nicht zuletzt, dass jeder der Beteiligten eine eigene Bedeutung in seinem Handeln und Aufgaben sieht. Dafür sind Top-Führungskräfte, mittleres und unteres Management und die Mitarbeiter selbst mitverantwortlich. Das ist die große Kraft der Kooperation und des Teams.

    Herzliche Grüße

    Claudia Weiler

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