Smalltalk: So kann die Plauderei sogar Freude machen

Für viele Menschen ist die Plauderei ohne Tiefgang mehr notwendiges Übel als ein gutes Gespräch. Sie haben Angst, die falschen Themen anzusprechen und sind verunsichert, wie sie sich richtig verhalten müssen. Es scheint, als sei der Smalltalk eine Wissenschaft für sich geworden und im Job und Leben überlebenswichtig. Geht es wirklich darum, im lockeren Gespräch perfekt zu sein, alle Kommunikationsregeln verinnerlicht zu haben und anwenden zu können sowie zu wissen, was tabu und was erlaubt ist? Ich finde es verrückt, was ich beim Smalltalk alles beachten soll und möchte ihm mehr Leichtigkeit schenken. Machen Sie Schluss mit „Muss das sein?!“ und freuen Sie sich auf Ihr nächstes Gespräch mit interessanten Menschen.

Smalltalk ist spontan gut

Neulich war ich auf einer Veranstaltung, für die ich mich über XING angemeldet hatte und die Gästeliste für jeden sichtbar war. Kaum hatte ich die Nadel meines Namensschildes durchs Sakko gestochen, stürmte winkend eine Teilnehmerin auf mich zu, die ich nicht kannte. Sie begrüßte mich mit meinem Namen und erzählte mir, wer sie ist und was sie alles über mich weiß. Es klang wie die auswendig gelernte Selbstpräsentation einer Bewerberin, die sie mehrmals vorm heimischen Spiegel geübt hatte. Ich empfand die Situation als befremdlich, schließlich war ich nicht zum Speed-Dating dort und hatte auch keinen Elevator-Pitch bestellt. Von einem Smalltalk waren wir weit entfernt – zumindest für meinen Geschmack.

Echter Smalltalk ist für mich etwas Spontanes und erfordert daher keine inhaltliche Vorbereitung. Das Aufeinandertreffen zweier oder mehrerer Menschen, die sich durch ungezwungenen Austausch von Wahrnehmungen, Erlebnissen, Gefühlen, Erfahrungen, Sichtweisen oder Meinungen durch erstes „Beschnuppern“ kennenlernen oder diesen Einstieg als Warm-up für tiefere Gespräche nutzen möchten. Guter Smalltalk ergibt sich aus einer Situation heraus, er ist nicht planbar. Spontanität steht über Perfektion. Verlassen Sie sich für Ihre nächste Smalltalk Situation darauf, dass Sie mit einem anderen Menschen immer über etwas sprechen werden können, das Sie beide in diesem Moment interessiert, bewegt oder verbindet.

Und falls nicht, gilt …

Smalltalk ist freiwillig

Sehe ich mir die vielen Tipps im Netz an, so wird Smalltalk meist mit „Sie müssen unbedingt …“ oder „Sie dürfen auf keinen Fall …“ Regeln, Vorschriften oder Verboten in Verbindung gebracht. Smalltalk hat eine Schwere erhalten, die im Gegensatz zu Ungezwungenheit und Leichtigkeit steht. Wird Smalltalk zum Pflichtprogramm etwa für Bewerber, um punkten zu können oder für Manager, um den nächsten „Big Deal“ klar zu machen, dann ist es kein Smalltalk mehr. Echter Smalltalk ist freiwillig! Wie sonst kann ein Gespräch ungezwungen sein – und das ist der Kern von Smalltalk, wenn sich ein oder mehrere Gesprächspartner hierzu gezwungen fühlen?

Natürlich hat Smalltalk etwas mit gesellschaftlichen Konventionen, guten Benimmregeln, Anstand, Höflichkeit und Respekt anderen Menschen gegenüber zu tun. Natürlich habe ich der Dame auf der Veranstaltung nicht gesagt „Verziehen Sie sich, ich möchte nicht mit Ihnen sprechen!“, doch ich habe mich bewusst entschieden, wie lange ich mit ihr an diesem Abend sprechen möchte.

Ich bemerke in der Arbeit mit Bewerbern und Angestellten, dass sie bereits das Bewusstsein entspannen lässt, dass Smalltalk keine steife Pflichtveranstaltung ist, sondern es ihre persönliche Entscheidung ist, mit wem sie wie lange Smalltalk führen und sich jederzeit entweder anderen Gesprächspartnern zuwenden dürfen oder aber das Gespräch inhaltlich vertiefen und so die Ebene des Smalltalk verlassen können.

Smalltalk ist echtes Interesse

Mir kommt es so vor, als werde Smalltalk häufig mit Belanglosigkeit gleichgesetzt: Kommunikation ist „small“, wenn es inhaltlich um nichts geht. Smalltalk als Austausch von oberflächlichem Blabla und als Überbrückung von Zwischen-Zeit. Smalltalk als Reflex statt Stille auszuhalten. Oder einfach nur Smalltalk um des Smalltalks Willen, weil man es so macht.

Neulich fragte mich ein Freund bei der Begrüßung, wie mein letzter Urlaub auf Korfu war. Er ging an mir vorbei, setzte sich und warf einen Blick auf sein Handy. – „Interessiert es Dich wirklich, wie mein Urlaub war?“ fragte ich und er schaute mich verdutzt an. Ich empfinde es nicht wertschätzend, wenn mir jemand eine Frage stellt, hinter der scheinbar kein echtes Interesse steht. Warum soll ich mir die Mühe machen, zu antworten, wenn die Antwort doch nicht interessiert? Nur, weil man es für Smalltalk so macht?

Smalltalk ohne echtes Interesse am Gegenüber ist wie Radio hören, das nebenbei dudelt. Wie ein Gespräch ohne Inhalt, wie Kommunikation auf Durchzug. Ich bin der Meinung, Smalltalk ohne echtes Interesse ist respektlos. Wer „Wie geht’s?“ fragt, der sollte wirklich wissen wollen und auch zuhören, wie es seinem Gegenüber geht. Echtes Interesse ist keine Frage des Gesprächsinhalts und seiner Tiefe, sondern der eigenen Haltung. Ich bin mir sicher, Sie werden überrascht sein, wie leicht und wertvoll Smalltalk mit echtem Interesse plötzlich wird.

Smalltalk ist Dialog

Erinnern Sie sich an meinen weiblichen „Fan“ auf der Veranstaltung? Von der ersten Sekunde an hat sie mich gefühlt ohne Luft zu holen zu getextet. Schließlich hatte sie sich vorher genau überlegt, was sie loswerden wollte. Sie war nur auf Sendung eingestellt und ich hatte keine Chance, dazwischen zu kommen, ohne sie unhöflich zu unterbrechen.

Vermutlich war sie sehr aufgeregt und wollte bei unserem ersten Zusammentreffen keine Fehler machen. Und vielleicht hat auch sie sich im Vorfeld „Muss das sein?“ gefragt und diese Frage mit „Da muss ich an diesem Abend durch!“ beantwortet. Doch als Opfer ihres schier unendlichen Monologs verlor ich immer mehr die Lust, aufmerksam zuzuhören, geschweige denn mit ihr in ein wirkliches Gespräch zu kommen.

Smalltalk ist gegenseitiger Austausch auf Augenhöhe als Dialog mit beiderseitigen Redeanteilen. Ziel ist es, einen Kontakt mit und eine Beziehungsebene zwischen den Gesprächspartnern aufzubauen. Werden Sie sich hierfür Ihrem echten Interesse am Gegenüber bewusst und hören Sie auch zu, was sie oder er Ihnen zu sagen hat. Geben Sie Ihre Meinungen, Wahrnehmungen und Gefühle preis, stellen Sie Fragen und geben Sie Raum für Antworten. Fokussieren Sie sich auf Ihr Gegenüber und zeigen damit die Wertschätzung, die gute Kommunikation zwischen zwei oder mehr Menschen immer verdient.

Fehlt Ihnen dieses wirkliche Interesse an einem guten Dialog mit Fokus auf Ihren Gesprächspartner, dann beenden Sie die Plauderei besser oder steigen Sie in das eigentliche Thema ein, statt im Smalltalk-Modus länger mit „Muss das sein?!“ auf Durchzug zu schalten.

Smalltalk darf Freude machen

Wenn Sie bis hier gelesen haben, dann verstehen Sie, was ich oben mit „Ich möchte dem Smalltalk mehr Leichtigkeit schenken“ gemeint habe. Mein Ziel mit diesem Artikel ist es, Smalltalk den Zwang und die Schwere von „Muss das sein?!“ zu nehmen und stattdessen mehr Freude oder sogar Spaß dabei zu empfinden, mit einer interessierten Haltung locker, offen und neugierig ins Gespräch mit anderen Menschen zu kommen.

Vielleicht entdecken Sie unerwartete oder liebenswerte Seiten an Ihrem Gegenüber, können durch fremde Perspektiven Ihr eigenes Denken und Verhalten reflektieren oder erfahren Dinge, die Sie im Beruf oder Leben bereichern – so wie ich es hier erlebt habe.

Ob auf der nächsten Business-Netzwerk Party, dem Geburtstagsempfang unter Kollegen, dem Start in ein Bewerbungsgespräch, im Wartezimmer, beim Bäcker oder an der Supermarktkasse: Kommen Sie in ein gutes Gespräch – auf Ihre Art und Weise. Egal, ob oberflächlich oder tiefgründig, laut oder leise, charmant oder ernst, persönlich oder politisch, sportlich oder kulturell: Smalltalk darf Freude machen! – Oder warum tun Sie sich das an?

(Bildquelle: 123rf.com, #100264027, Feodora Chiosea)

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Dr. Bernd Slaghuis

Ich arbeite als Karriereberater & Bewerbungscoach und habe mich auf Themen rund um die Karriereplanung und berufliche Neuorientierung spezialisiert. Seit 2011 habe ich über 2.000 Angestellte bei ihrem nächsten Schritt im Beruf sowie im Bewerbungsprozess begleitet - über alle Hierarchieebenen und Branchen hinweg - Online oder in meinem Kölner Büro. Meine Erfahrungen teile ich hier im Blog, in meiner SPIEGEL-Kolumne sowie als XING Insider und LinkedIn Top-Voice.

Dieser Beitrag hat 2 Kommentare
  1. Warum eigentlich immer englische Begriffe? „Smaltalk“ suggeriert immer, dass das belanglos oder gar uninteressant ist. Will sich wirklich irgendjemand mit anderen über uninteressante Dinge unterhalten? Eigentlich sollte es doch nur ein Einstieg sein, oder?
    Aus dem Einstieg in ein Gespräch kann sich dann auch etwas entwickeln, das zu einem echten Interesse führt.
    Ich wandere bei solchen Gelegenheiten immer von Gesprächsgruppe zu Gesprächsgruppe und höre mal in die Unterhaltung hinein. Wenn es mich interessiert, dann geselle ich mich dazu und versuche aufgenommen zu werden. Wenn das nicht funktioniert, dann gehe ich halt weiter. Manchmal spreche ich auch Personen an. Warum? Kann ich auch nicht sagen.
    Passe ich auf, dass die Gespräche nicht zu persönlich werden oder politisch korrekt ablaufen? Zu Anfang ja. Erst muss ich meine Gesprächsteilnehmer einschätzen können. Danach sind die Grenzen und die Art der Unterhaltung meist klar.

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