Vorstellungsgespräch Vorbereitung: So kommen Sie richtig in Stimmung

Jeder Bewerber hofft darauf, es in die zweite Runde zu schaffen und zum Vorstellungsgespräch eingeladen zu werden. Doch kommt die Einladung, beginnt die Vorbereitung und die Nervosität steigt, den Fragen der Personaler nicht gewachsen zu sein. Erfahren Sie hier, warum Sie niemals als Bewerber in ein Vorstellungsgespräch gehen sollten und was für eine gute Vorbereitung wirklich zählt.

Mal angenommen, Sie haben sich auf Ihren Traumjob beworben und werden zum Vorstellungsgespräch eingeladen. Sie haben so lange darauf gehofft, endlich den Wechsel zu schaffen, schließlich alles auf diese eine Karte gesetzt – und nun ist es soweit und Sie dürfen sich persönlich vorstellen. Es ist Ihr absoluter Wunsch-Arbeitgeber, den Sie schon so lange im Blick haben. Die neue Position wäre ein echter Karriereschritt und mehr Geld würden Sie auch verdienen. Ach, und die nervige Fahrerei jeden Tag hätte auch ein Ende, denn dieser Job wäre gleich um die Ecke. Wäre das nicht wirklich traumhaft?

Doch im nächsten Moment, nachdem Sie die Einladung zum Vorstellungsgespräch in Ihrem Posteingang entdeckt, den Termin im Kalender eingetragen und voller Freude alle, die von Ihren Vorhaben wissen, informiert haben, beginnen die bohrenden Fragen im Kopf zur Vorbereitung des Gesprächs:

Bewerber und ihr Kopfkino vor dem Vorstellungsgespräch

„Was ist, wenn ich für die Stelle doch nicht geeignet bin? … Ob es wohl noch andere Bewerber außer mir gibt? … Wer wird mir im Gespräch alles gegenübersitzen? … Was werden sie mich fragen? Nicht, dass ich mich blamiere! … Hoffentlich sprechen sie mich nicht auf die Lücke in meinem Lebenslauf an! … Sie interessiert bestimmt, warum ich wechseln möchte – und was soll ich dann sagen – dass mein Chef ein Vollidiot ist? … Werden sie sich vielleicht sogar bei meinem Chef nach mir erkundigen und was wird er ihnen wohl alles erzählen? … Sollte ich lieber schnell noch das letzte Partybild auf Facebook löschen? … Was muss ich für das Gespräch jetzt eigentlich alles vorbereiten? … Was sage ich, warum das Studium damals so lange gedauert hat? … Und was sollte ich bloß auf diese Frage nach meinen größten Schwächen antworten? … Was sage ich meinem Chef und den Kollegen, warum ich so kurzfristig einen Tag Urlaub brauche? … Werde ich das überhaupt verkraften, wenn es schiefgeht und ich den Job nicht bekomme? Ich habe doch nur diese eine Chance, das muss jetzt klappen!“

Mit diesen und ähnlichen Gedanken kommen viele Bewerber zu mir ins Coaching und möchten gezielt mit mir an Ihrer Vorbereitung auf ein anstehendes Vorstellungsgespräch arbeiten. Manche bringen eine lange Liste an Fragen mit, die sie dort erwarten, und möchten von mir die besten Antworten darauf erfahren. Andere tragen mir ihre Selbstpräsentation vor und möchten wissen, wie sie rüberkommen. Vielen von ihnen sind Angst und Nervosität ins Gesicht geschrieben, wenn sie an den nahenden Termin denken. Hinzu kommt oft, dass sie von ihrer aktuell belastenden Jobsituation so sehr geschwächt sind, dass die Aussicht auf das Gespräch mehr anstrengende Flucht aus letzter Kraft als stärkende Motivation mit echter Lust aufs Neue ist.

Vielleicht haben auch Sie nun ein Bild von einem Menschen vor sich, dem alle diese Gedanken panisch durch den Kopf schwirren und der sich bereits während der Vorbereitung auf sein Vorstellungsgespräch fühlt wie das kleine, hilflose Schuldkind vor seiner härtesten Prüfung. Vielleicht fühlen Sie sich auch gerade selbst so? Dann wissen Sie ja, wovon ich spreche.

Perspektivwechsel: Würden Sie sich so selbst einstellen?

Bleiben Sie für einen Moment in diesem Bild und blicken Sie auf den Menschen, den Sie in dieser Situation mit diesen Gefühlen und Gedanken vor Ihrem geistigen Auge sehen. Und jetzt mal angenommen, Sie wären Chef oder Chefin eines Teams im Unternehmen und müssten die Entscheidung für einen neuen Mitarbeiter treffen: Würden Sie diesen Menschen einstellen?

„Ja, wir haben soeben unsere neue / unseren neuen (…) kennengelernt.“ – Den neuen Leiter Vertrieb, die neue Geschäftsführerin, den neuen Controller, die Assistentin, den neuen Produktionsleiter, die neue Projektmanagerin, den neuen Mitarbeiter in der Buchhaltung, die neue Kundenberaterin. Setzen Sie die Position ein, auf die Sie sich bewerben.

Ist es nicht diese eine Aussage und genau dieses Gefühl bei Ihrem künftigen Chef, den Mitarbeitern aus der Personalabteilung oder Ihren neuen Kollegen, das nach dem Vorstellungsgespräch bleiben sollte? Ein gutes Gefühl, das Sicherheit gibt, die richtige Entscheidung zu treffen. Die Entscheidung für einen neuen Mitarbeiter, der nicht nur den Aufgaben und künftigen Herausforderungen dieser Position fachlich gewachsen sein wird, sondern vor allem gut in das bestehende Team und zur Kultur des Unternehmens passt.

„Ja, sie/ihn kann ich mir gut in dieser Position und im Team vorstellen.“ Das ist es, was bei Ihrem Gegenüber nach dem Vorstellungsgespräch durch den Kopf gehen sollte, damit es eine Runde weiter geht oder zum Arbeitsvertrag kommt. Am Ende von Kommunikation steht immer ein Gefühl. Jedes (Vorstellungs-)Gespräch ist Kommunikation pur – und immer ist es ein Gefühl, das Ihre Gesprächspartner aus dem Gespräch mitnehmen. Vielleicht Freude, Zuversicht, Vertrauen, Wertschätzung, Anerkennung, Sicherheit. Vielleicht Angst, Sorge, Misstrauen, Zweifel.

Es geht in dieser Phase nicht mehr um den perfekt lückenlosen Lebenslauf, die besten Zeugnisse und Abschlüsse, die namhaftesten Ex-Arbeitgeber, die meisten Weiterbildungen oder das glänzende selbst geschriebene Arbeitszeugnis. Es ist nicht die nicht bestandene Probezeit und auch nicht das zu lange Studium, nicht das fehlende Abi bei 20 Jahren Führungserfahrung und es ist auch nicht der gescheiterte Versuch einer Selbständigkeit, was ausschlaggebend ist. Natürlich sind Fachwissen und Berufserfahrung wichtig, doch am Ende zählt die Haltung, die Sie als Bewerber im Vorstellungsgespräch einnehmen und in Form Ihres Verhaltens sichtbar und für Ihr Gegenüber spürbar werden lassen.

Stellen Sie sich nicht als bester Bewerber vor, sondern als neuer Kollege

Ihre Gesprächspartner können Sie nur dann richtig kennenlernen und als zukünftigen Mitarbeiter und Kollegen erleben, wenn Sie ihnen nicht in Ihrer perfekt einstudierten Rolle als „Bewerber“ begegnen, sondern in der Rolle als zukünftiger Mitarbeiter und Kollege.

Vor einiger Zeit saß mir eine Klientin gegenüber, die sich auf Positionen als Geschäftsführerin bewarb. Sie hatte lange Zeit keine Bewerbungsgespräche mehr geführt und war wie viele andere Bewerber auch sehr angespannt und unsicher. Ihre Fragen an mich waren typisch, denn es macht keinen Unterschied, ob mir der Sachbearbeiter gegenübersitzt oder es um Geschäftsführungsposten geht. Sie alle stellen sich ähnliche Fragen in der Rolle als Bewerber und ihr Kopfkino spielt den immer gleichen Film. In diesem Coaching wurde es mir bewusster als je zuvor: Meine Klientin wird nur dann einen neuen Vertrag als Geschäftsführerin erhalten, wenn sie nicht als Bewerberin, sondern mit der inneren Haltung und Ausstrahlung einer Geschäftsführerin in die Gespräche mit Arbeitgebern geht.

Das Gute ist, dass viele Jobwechsler die Rollen und das Gefühl in einer Position bereits kennen, auf die sie sich bewerben. Sie wissen, wie es sich im Joballtag anfühlt und worauf es in den Positionen ankommt. Sie kennen das Auftreten als Geschäftsführer/in, als Führungskraft, als Projektleiter/in, als Controller/in, als Produktionsleiter/in, als Assistent/in, … als was auch immer. Doch in Vorstellungsgesprächen sind sie nur Bewerberinnen und Bewerber – mehr nicht. Warum also diese selbst auferlegte Beschränkung?

Ein Vorstellungsgespräch ist kein Rollenspiel

Ich spreche in diesem Beitrag häufig von „Rolle“ und meine damit das eigene Bewusstsein über das Denken und Handeln eines Menschen in einer bestimmten Position in einem bestimmten Umfeld. Wir sind jeden Tag in verschiedenen Rollen unterwegs: in der Rolle als Partner/in, Mutter/Vater, Kollege/in, Führungskraft, beste/r Freund/in, Kunde, usw. Natürlich verhalte ich mich in meiner Rolle als Dienstleister während eines gebuchten Coachings anders als zuhause auf der Couch oder beim Glas Wein mit guten Freunden. Doch auch wenn ich von Rollen spreche, bin ich keiner Situation Schauspieler. Bitte – und das ist mir sehr wichtig – spielen Sie im Bewerbungsgespräch nicht den „Geschäftsführer“ , die taffe „Führungskraft“ oder etwas, wovon Sie glauben, dass es dort vielleicht gefragt sein könnte.

Wenn Sie sich – um bei diesem Beispiel zu bleiben – als Führungskraft oder Geschäftsführer bewerben, jedoch bisher nie in einer solchen Position waren, so können Sie sich mit Ihrer Lebens- und Berufserfahrung dennoch in sie hineinversetzen. Sie haben eine Vorstellung davon, was an Management und Führung auf Sie zukommen wird, wie Sie sich in bestimmten Situationen verhalten werden. Statt also in der Rolle als Bewerber „Geschäftsführer“ zu spielen, sollten Sie sich vorstellen und im Bewerbungsgespräch so verhalten, wie Sie es in einer neuen Rolle „Geschäftsführer“ mit Ihren Erfahrungen und dem Wissen von heute tun würden. Ihr Gegenüber weiß aus Ihrem Lebenslauf, dass Sie das echte Gefühl als Geschäftsführer noch nicht kennen. Und das scheint in Ordnung zu sein, sonst wären Sie nicht eingeladen worden.

Ihre Vorbereitung: So kommen Sie richtig in Stimmung

Dass Sie im Vorfeld einige Recherchen zur Ihren Gesprächspartnern anstellen und zur Vorbereitung die wichtigsten Informationen über Ihren vielleicht neuen Arbeitgeber sammeln sollten, ist selbstverständlich. Auch können Sie sich Gedanken machen, was Sie auf typische Fragen antworten – aber bitte nichts auswendig lernen! Genauso halte ich es für wichtig, sich selbst alle Themen und Fragen zu überlegen, die für Sie und Ihre Entscheidung für oder gegen diesen Job wichtig sind. Was benötigen Sie und was müssen Sie in den Gesprächen erfahren, um am Ende eine gute Entscheidung für sich zu treffen? Worauf möchten Sie beim Gang durch das Unternehmen achten und wie gewinnen Sie einen guten Eindruck von Ihren Gesprächspartnern? Dies alles können Sie sich im Vorfeld als Vorbereitung auf ein Vorstellungsgespräch überlegen und dürfen Ihre Notizen auch mit ins Gespräch nehmen.

Doch zurück zum Thema dieses Beitrags: Ihre richtige Haltung, mit der Sie in ein Gespräch gehen – und die hierfür nötige Vorbereitung. Ich frage Sie: Was sollte im Gespräch geschehen, damit Ihre Gesprächspartner im Anschluss sagen: „Ja, das ist unser/e neue/r (…).“? Was benötigen Ihre Gesprächspartner von Ihnen, um das gute Gefühl zu haben, dass sie soeben ihrem neuen Kollegen oder der neuen Kollegin begegnet sind?

Mein Tipp zur Vorbereitung: Erinnern Sie sich als Bewerber an Situationen und Gespräche aus Ihren bisherigen Jobs oder auch aus dem Privatleben: An Gespräche oder schwierige Verhandlungen mit Kunden oder Dienstleistern. Als Führungskraft an Gespräche mit Ihrem Team oder einzelnen Mitarbeitern. Als Geschäftsführer an Gespräche mit Ihrem Führungsteam, mit Ihren Kollegen in der Geschäftsführung oder mit Investoren. Erinnern Sie sich als Controller an Gespräche mit Kollegen aus anderen Abteilungen oder Ihre Präsentationen in Meetings. Denn auch ein Vorstellungsgespräch ist nichts anderes als ein gutes Gespräch. Es geht um Ihre gegenseitige Vorstellung und das Gespräch über Ihre gegenseitigen Erwartungen.

Ich bin mir sicher, Sie alle waren bisher schon einmal und meist sogar schon mehrfach in Ihrer beruflichen Rolle in ähnlichen Gesprächssituationen – auch mit Ihnen bisher fremden Gesprächspartnern, die Sie gut und souverän gemeistert haben. Was haben Sie dazu beigetragen? Was gibt Ihnen Sicherheit? Wie treten Sie dort auf? Wie verhalten Sie sich gegenüber anderen Gesprächspartnern? Was geht Ihnen in diesen Situationen durch den Kopf? Welche Fragen stellen Sie? Was signalisiert Ihre Körpersprache? Was ist Ihre Erwartungshaltung Ihren Gesprächspartnern gegenüber? Wie wirken Sie? Was sagen andere, was Sie an Ihnen im Gespräch schätzen? Schreiben Sie für sich solche Situationen auf und machen Sie sich diesen Aspekt in der Zeit bis zum Gespräch immer wieder bewusst. Vielleicht ist es auch ein Bild, das Sie zu dieser bekannten Gesprächssituation im Kopf haben und können es auf das anstehende Bewerbungsgespräch projezieren?

Bewerbungsgespräch: Fachwissen punktet, Haltung entscheidet

Machen Sie sich schließlich am Tag selbst aktiv bewusst, dass Sie nicht als „kleiner Bewerber“, sondern als der neue Mitarbeiter und Kollege in das Gespräch gehen. Als neugieriger und offener Mensch auf Augenhöhe mit seinem Gegenüber, der sich darauf freut, mehr über seinen neuen Job zu erfahren und zum ersten Mal seine womöglich zukünftigen Kollegen kennenzulernen. Machen Sie sich auch bewusst, dass Sie schon viele andere vermeintlich schwierigen Gespräche gemeistert haben.

Überlegen Sie sich, was am Tag des Vorstellungsgesprächs konkret ein guter Zeitpunkt ist, genau daran zu denken. Meine Empfehlung ist, dies bei Betreten des Gebäudes zu tun. Denn – was viele Bewerber nicht auf dem Schirm haben – schon zu diesem Zeitpunkt etwa im Gespräch mit einem Mitarbeiter am Empfang beginnt Ihr Vorstellungsgespräch. Vielleicht ist es aber auch schon das Aussteigen aus der Bahn oder aus Ihrem Auto und Sie nutzen den Weg bis zum Unternehmen, um richtig in „Stimmung“ zu kommen?

Ich gebe mit diesem Beitrag meinen wertvollsten Impuls für jeden Bewerber preis. Denn ich sehe bei meiner Arbeit mit Jobwechslern, dass ihr Erfolg vor allem von ihrer persönlichen inneren Haltung abhängt, mit der sie Bewerbungen verfassen und Gespräche führen. Fachwissen punktet, Haltung entscheidet.

Finden Sie als gute Vorbereitung auf ein Vorstellungsgespräch zu einer Haltung, die sowohl stimmig zu Ihrer Person, Ihren Stärken sowie Ihrer Lebens- und Berufserfahrung ist, als auch zur Position passt, um die es geht. Auf dass Ihre Gesprächspartner einen neuen sympathischen Kollegen kennenlernen, den sie fachlich sowie persönlich wertschätzen und gerne im Team willkommen heißen.

Und … als wer werden Sie in Ihr nächstes Vorstellungsgespräch gehen? 

(Titelbild: 123rf.com, #39563575, Denis Ismagilov)

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Dr. Bernd Slaghuis

Ich arbeite als Karriereberater & Bewerbungscoach und habe mich auf Themen rund um die Karriereplanung und berufliche Neuorientierung spezialisiert. Seit 2011 habe ich über 2.000 Angestellte bei ihrem nächsten Schritt im Beruf sowie im Bewerbungsprozess begleitet - über alle Hierarchieebenen und Branchen hinweg - Online oder in meinem Kölner Büro. Meine Erfahrungen teile ich hier im Blog, in meiner SPIEGEL-Kolumne sowie als XING Insider und LinkedIn Top-Voice.

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