Grausamkeiten im Job: Warum tust du dir das eigentlich noch an?

„Warum tue ich mir das eigentlich alles an?“ Diese Frage werden auch Sie sich schon mehrfach in Ihrem Berufsleben gestellt haben. Ich erlebe bei meiner Arbeit mit Angestellten sehr viele, die in ihren Jobs nur noch aus- und durchhalten und im Team mehr gegen- als miteinander arbeiten. Hier sind meine Top-5 der „Grausamkeiten im Job“, die sich viele Angestellte heute selbst antun und ich frage Sie: Muss das denn wirklich sein?

1. Zeit absitzen

Wann haben Sie zuletzt im Meeting gesessen und gedacht „Was zur Hölle mache ich eigentlich hier?“ Ihre Meinung interessiert niemanden, die Themen langweilen Sie zu Tode, aber man hat Sie ja schließlich dazu eingeladen. Und wie häufig warten Sie ab dem Mittag nur darauf, dass Ihr Chef endlich das Büro verlässt und Sie ebenfalls Feierabend machen können, ohne als faul aufzufallen? Ja, Zeit absitzen wird heute in vielen Organisationen bis zur Perfektion ausgelebt und mit ein bisschen Routine sogar als völlig normal hingenommen.

Warum tun Sie sich das eigentlich an?

Warum sitzen Sie noch wichtig in Meetings, in denen Sie nichts zu sagen oder zu suchen haben? Warum machen Sie das alte Spielchen „Karriere macht, wer zuletzt das Licht ausschaltet“ mit? Warum langweilen Sie sich, wenn mal nichts zu tun ist, Ihr Überstundenkonto jedoch aus allen Nähten platzt?

Was wird geschehen, wenn Sie sich entscheiden, ab sofort keine Zeit mehr abzusitzen, sondern Ihre Zeit im Beruf so zu verbringen, wie Sie es im gegebenen Rahmen für sinnvoll halten?

2. Dienst nach Vorschrift machen

Die Zeiten, in denen Sie für Ihren Job noch gebrannt haben, sind längst vorbei. Ihre guten Ideen wurden in den letzten Jahren sämtlich überhört und auch die Kollegen sind einfach nur undankbar. Und so machen Sie nur noch exakt das, was in Ihrer Stellenbeschreibung formuliert ist, denn die Motivation für Extraschleifen ist im Keller. Sie funktionieren, damit Ihnen niemand ans Bein pinkeln oder gar mit der Kündigung drohen kann. Hauptsache, das Geld ist am Monatsende sicher auf dem Konto. Dienst nach Vorschrift ist Ihre Lösung, die Sie alles das aushalten lässt.

Aber, warum tun Sie sich das eigentlich an?

Warum sind Sie sich so sicher, dass Dienst nach Vorschrift die einzig mögliche Lösung ist? Was hat dazu geführt, dass Sie resigniert und aufgehört haben, der Chef Ihres Lebens zu sein – und sind Sie auch heute noch der Meinung, dass Ihnen Dienst nach Vorschrift gut tut? Was hält Sie wirklich davon ab, sich nach einem neuen Arbeitgeber umzusehen, der Ihre Ideen wertschätzt und solche Kollegen zu finden, mit denen Sie motiviert gemeinsam an Zielen arbeiten können?

Was wird geschehen, wenn Sie sich entscheiden, ab sofort keinen Dienst nach Vorschrift mehr zu machen und wieder mehr von dem zu tun, was Ihnen im Beruf wirklich wichtig ist?

3. Ärger über Chef und Kollegen in sich hineinfressen

Ihr Chef macht Sie vor versammelter Mannschaft zur Schnecke und der Kollege verkauft Ihre Idee als seine. Immer bekommen Sie die blöden Aufgaben ab, alle sind gemein zu Ihnen, alles ist super ungerecht und überhaupt könnten Sie jeden Abend eine lange Liste aufschreiben, worüber Sie sich am Tag geärgert haben. Alles das lässt Ihnen auch in der Freizeit keine Ruhe und von Durchschlafen können Sie nur noch träumen. Der Frustpegel steigt mit jedem Tag, den Sie länger bei diesem Arbeitgeber, ihrem unfähigen Chef und den nervigen Kollegen verbringen.

Mal ehrlich, warum tun Sie sich das schon so lange an?

Warum sagen Sie Ihrem Chef nicht, was Sie an seinem Verhalten ärgert und was Sie sich in Zukunft von ihm anders wünschen? Warum sprechen Sie mit Ihren Kollegen nicht sofort über alles das, was im täglichen Miteinander zu Missverständnissen, Unmut oder einem Gefühl von Ungerechtigkeit führt? Warum muss das Fass erst überlaufen und Sie zu einem allgemeinen Rundumschlag ausholen lassen? Warum erklären Sie sich zum armen Opfer Ihres Chefs oder der Kollegen, jammern und hoffen auf Mitleid, statt das Ruder wieder selbst in die Hand zu nehmen?

Was wird geschehen, wenn Sie sich entscheiden, ab sofort die Dinge, über die Sie sich ärgern anzusprechen und die belastende Situation mit Ihrem Chef oder den Kollegen zu klären?

4. Ja sagen – Nein denken

Also eigentlich sind Sie ja ganz anderer Meinung, aber um des lieben Friedens willen stimmen Sie zu. Sie haben keine Energie mehr für Erklärungen und anstrengende Diskussionen mit Ihrem Chef oder den Kollegen und lassen sie lieber machen, was sie für richtig halten. Sie lassen sich eine Aufgabe aufbrummen, dabei fällt diese klar in den Verantwortungsbereich Ihres Kollegen, der jedoch just in diesem Moment mal wieder durch Abwesenheit glänzt. Was tut man nicht alles, um dem Chef und den lieben Kollegen zu gefallen?

Hand aufs Herz, warum tun Sie sich das eigentlich an?

Warum sagen Sie nicht, was Sie wirklich über ein Thema oder eine anstehende Entscheidung denken? Warum ist Ihnen Harmonie wichtiger als das, was Ihnen persönlich wichtig ist? Ist es gut, es allen anderen Recht zu machen, sich selbst jedoch dabei zu vergessen? Glauben Sie nicht, dass Ihr Chef oder ein Kollege ab und zu auch ein „Nein“ von Ihnen verträgt? ist es nicht an der Zeit, eigene Standpunkte zu vertreten und sich für das einzusetzen, was Sie für richtig und wichtig halten?

Was wird geschehen, wenn Sie sich entscheiden, ab sofort ein „Nein“ auszusprechen, wenn es Ihnen wichtig ist, Ihre Perspektive oder Meinung klar zum Ausdruck zu bringen?

5. Gegen Chef und Kollegen arbeiten

Schon lange haben Sie Ihren Chef oder den üblen Kollegen auf dem Kieker. Sie haben viel zu oft versucht, nett, höflich und hilfsbereit zu sein, jetzt wollen Sie es ihnen mal so richtig zeigen. Sollen sie doch mal sehen, wie sie zurechtkommen, jetzt ist Schluss mit lustig. Wer nicht mit Ihnen arbeiten möchte, der ist selber schuld. Wollen wir doch mal sehen, wer der Stärkere und am Ende als Sieger die Büro-Arena verlässt. Einer gegen alle, alle gegen einen.

Warum tun Sie sich diesen Kampf noch länger an?

Wäre es nicht wunderbar, statt gegeneinander endlich wieder miteinander zu arbeiten? Sich kollegial zu unterstützen, statt sich hinterrücks zu sabotieren? Warum glauben Sie noch daran, dass Anerkennung vom Chef oder Erfolg im Beruf ein harter Kampf sein müssen? Warum geben Sie Arbeit diese Schwere, statt mit Leichtigkeit und Freude Herausforderungen zu meistern?

Was wird geschehen, wenn Sie sich entscheiden, ab sofort nicht mehr gegen Ihren Chef und die Kollegen zu arbeiten, sondern mit ihnen?

Grausam oder gemeinsam? – Sie entscheiden!

In den Coachings mit Angestellten frage ich sie auch manchmal, warum sie sich das alles antun, wovon sie mir frustriert berichten: Warum sie Einladungen zu Meetings nicht ablehnen und dies mit ihren Kollegen klären, wenn sie es als Zeitverschwendung ansehen. Warum sie sich für Dienst nach Vorschrift entscheiden, wenn sie doch viel lieber als Macher Dinge voranbringen und mit Herzblut an Themen arbeiten möchten. Warum sie ihren Ärger und Frust nicht ansprechen und so ihrem Umfeld auch zeigen, was ihnen wichtig ist und sie sich für die Zusammenarbeit wünschen. Warum sie lieber gegeneinander statt miteinander arbeiten. Warum sie so lange aushalten, statt etwas zu verändern.

„Stimmt, eigentlich haben Sie ja Recht, das ist unsinnig und anstrengend“  höre ich an dieser Stelle häufig. Wir arbeiten dann gemeinsam daran, an welchen Stellschrauben sie im heutigen Arbeitsumfeld drehen können und in welcher Form eine Veränderung des eigenen Verhaltens auch auf den Chef oder die Kollegen positiv Einfluss nehmen wird.

Mit dieser neu gewonnenen eigenen Klarheit sowie einer veränderten inneren Haltung (und etwas Übung) sind es die vielen kleinen bewussten Veränderungen Ihres Verhaltens, die den Unterschied zwischen grausam gegeneinander und gemeinsam miteinander ausmachen.

Woran denken Sie in diesem Moment zuerst, wenn ich Sie frage „Warum tun Sie sich das eigentlich noch an?“ Haben Sie vielleicht bereits eine Idee, welche Entscheidung Sie treffen oder was Sie selbst in Zukunft anders tun können, um an dieser konkreten Situationen oder womöglich sogar in Ihrem Beruf insgesamt etwas in eine für Sie gute Richtung zu verändern?

(Bildquelle: 123rf.com, #53343532, Roman Iegoshyn)

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Dr. Bernd Slaghuis

Ich arbeite als Karriereberater & Bewerbungscoach und habe mich auf Themen rund um die Karriereplanung und berufliche Neuorientierung spezialisiert. Seit 2011 habe ich über 2.000 Angestellte bei ihrem nächsten Schritt im Beruf sowie im Bewerbungsprozess begleitet - über alle Hierarchieebenen und Branchen hinweg - Online oder in meinem Kölner Büro. Meine Erfahrungen teile ich hier im Blog, in meiner SPIEGEL-Kolumne sowie als XING Insider und LinkedIn Top-Voice.

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Dieser Beitrag hat 15 Kommentare
  1. Warum tut man (ich nicht) das? Ganz klar: Wirtschaftlicher Druck, familiäre Zwänge.
    Wenn man jung ist und keine Verbindlichkeiten hat, dann kann man mal eben den Arbeitgeber wechseln. Hat man aber Verpflichtungen, die erfüllt werden müssen (Kredite, Familie, Wohnung, Haus, etc.), dann kündigt man nicht einfach. Schließlich bekommt man ja kein Geld von der BAA, wenn man selber kündigt.
    In dem Moment stellt sich einem die Frage, wie höch ist die Schwelle bei der einem das Gehalt nicht mehr davon abhält Schluss zu machen. Manchmal wartet man nur darauf, dass man gekündigt wird damit das endlich ein Ende hat.
    Ob man in dieser Situation etwas intern geändert bekommt um einen zum Bleiben zu bewegen, glaube ich nicht. Hat sich erst dieser Frust festgefressen, habe ich bereits intern gekündigt und warte nur noch darauf, dass ich ohne finanzielle Probleme wechseln kann.
    Der tolle immerwiederkehrende Hinweis, man solle doch mit seinen Vorgesetzten sprechen nutz alles nichts, wenn die genauso gefrustet sind. Solch ein Frust kommt nicht aus heiterem Himmel. Auch kommte es meißt nicht von einem selber. Das ist ein Problem der Organisationsverantwortung. Ich habe schon so viele Zusicherungen von Vorgesetzen zu hören bekommen, die bereits nach Verlassen des Raumes vergessen waren. Da müssten sich die Vorgesetzten erst einmal ändern und dafür müsste man auch Fachkräfte in Sachen Organisation und Personalführung in Führungspositionen haben. Das sind aber die wenigsten Führungskräfte.

    Was übrigens schon seit Jahrzehnten Mitarbeiter wahnsinnig macht sind diese In-Themen. Da kommen Vorgesetze plötzlich an und sagt: „Wir machen jetzt Kaizen.“ oder „Wir arbeiten jetzt Lean.“ oder auch in fruhren Jahren:“Wir machen jetzt Refa.“ oder „Wir arbeiten jetzt in Teams. Die Baumstruktur bleibt aber erhalten.“ Leider haben aber die wenigsten Führungskräfte sich wirklich damit beschäftigt oder waren auf guten Schulungen. Da wird dann 100 % Leistung gefordert bei 0 % Ahnung.
    Das schmeißt jedesmal die komplette Unternehmensstruktut über den Haufen. Und die Mitarbeiter müssen darunter Leiden.
    So zumindest meine Erfahrung.

  2. @Jürgen Ende: Meine volle Zustimmung!

    Es gibt Leute mit Familie und Alleinverdienerhaushalte. Ich gehöre dazu. Da kann es gewisse Zwänge bzw. einen gewissen Druck geben. Ich vermute, der Autor hat keine Kinder…?

    Wenn sie Familie haben oder mal haben sollten (offensichtlich heute nicht mehr so ein selbstverständliches Thema wie ich vielfach mitbekomme, warum auch immer), bekommen sie einen etwas anderen Blick bzw. andere Prioritäten.

    Klar: Veränderungen sind trotzdem möglich. Aber es gibt hier und da doch einige Hürden mehr. Familienväter wissen was ich alles so meine. Oft hängt auch noch eine Hausfinanzierung am Job. Gerade mit Familien braucht man eben mehr Platz und bezahlbare Mietobjekte sind vielerorts rar geworden.

    1. Hallo Herr Berthold,
      hallo Herr Ende,
      ich finde es interessant, dass Sie beide offenbar bei „Warum tun Sie sich das an?“ zuerst an „Kündigung und den Arbeitgeber verlassen“ denken, dabei habe ich diesen Schritt ganz bewusst nur einmal im Text erwähnt. Denn vor allem ging es mir darum, einen Impuls für die keinen Stellschrauben im täglichen Miteinander zu setzen. Ein Meeting mit sachlich wertschätzender Erklärung abzulehnen wird nicht gleich den Job infrage stellen und Sie als Hausbesitzer oder Familienvater unruhig schlafen lassen.

      Ich verstehe Ihren Aspekt der höheren Verpflichtungen, einem gesteigerten Sicherheitsbedürfnis und finanziellen Abhängigkeiten, doch alles dies sollte bei der Auswahl einer Position und eines Arbeitgebers eine wichtige Rolle spielen, jedoch nicht als Grund für jahrelangen Frust und Aushalten in Opfer-Haltung herhalten. Das halte ich auf Dauer für ungesund – und auch für eine zu bequeme Ausrede aus Angst vor Veränderungen.

      Viele Grüße
      Bernd Slaghuis

      1. Hallo Herr Dr. Slaghuis,

        das mag auf Dauer krank machen, doch ist das für sicherheitsorientierte Personen durchaus ein Grund zum Durchhalten. Es gab auch mal Generationen, bei denen stand die Versorgung der Familie an erster Stelle.
        Und heute gibt es Generationen, die haben keine Rücklagen um mal eben 3 Monate ohne Einkommen jeglicher Art ihren Verpflichtungen nachzukommen.
        Das hat überhaupt nichts mit „Angst vor Veränderungen“ sondern mit Pflichtbewustsein zu tun.

        Was aber nun Ihre Aussage zu den Besprechungen ohne Nutzen angeht, so zähle ich das zu den Modeerscheinungen. Frei nach dem Motto: „Wenn man schon nicht weiß, wie man ein Problem beseitigt, dann muss man zumindest darüber reden.“ Auch wenn dabei nicht wirklich etwas bei herauskommt und man nur von nutzbringenden Arbeiten abgehalten wird.

        Und was ich aus eigener Erfahrung berichten kann, es gibt durchaus Vorgaben von der GL/Konzernleitung, dass jeder an min. zwei Besprechungen/Kaizens pro Vierteljahr teilnehmen muss. Genau so wie es Anweisungen gibt, dass jeder Mitarbeiter min. zwei „Nearmiss“ inkl. ausführlichem Report abgeben muss.
        Machen Sie das nicht, verstoßen Sie gegen eine Anweisung der GL (egel wie unsinnig diese Anweisung auch ist). Das werden Sie auf alle Fälle beim nächsten Personalgespräch auf’s Butterbrot geschmiert bekommen.

        Somit hat das überhaupt nichts mit „Angst vor Veränderung“ zu tun.

  3. Hallo, die Herren,
    es ist schon interessant, dass sich Familienväter und -mütter schneller aus einer nicht mehr funktionierenden Ehe (mit allen langfristig finanziellen und familien-organisatorischen Nachteilen für alle Beteiligten) lösen (=Scheidung), als bei permanenter Unzufriedenheit den Arbeitgeber zu wechseln (= Kündigung).

    Unterschied hier? Keiner! Sowohl bei einer Ehe-/Beziehingstrennung als auch einer (inneren) Kündigung haben die Parteien aufgehört, an den Problemen zu arbeiten (aus welchen Gründen auch immer). Genau das war aber der Ansatz dieses Artikels: Lösungsansätze für Veränderungsmöglichkeiten zu finden. Und so aus der Opferrolle zu kommen. Gesünder wäre das allemal. Denn, was nützt die finanzielle Sicherheit, wenn man gesundheitlich irgendwann so kaputt ist, dass man berufsunfähig wird?!
    Wer aufhört, an den Misständen zu arbeiten, gibt SICH auf….

    1. Es gibt schon einen Unterschied zwischen Kündigung und Scheidung.
      Nach einer Kündigung hat man mit dem ehemaligen Arbeitgeber nichts mehr zu tun und dem gegenüber auch keine finanziellen Verpflichtungen.
      Bei einer Scheidung stehen dagegen eine oder beide.Parteien vor den Trümmern ihres bisherigen Lebens. Und eine Scheidung kann zum Ruin einer Partei führen.
      Dagegen ist eine Kündigung das kleinere Übel.
      Aber gerade wegen der familiären Schwierigkeiten, die auch zu einer Scheidung führen können, halten Personen an gut bezahlten aber arbeitsklimaschlechten Anstellungen fest.

      Natürlich wäre es toll, wenn man mit Gesprächen das Arbeitsklima und die Wertschätzung untereinander verbessen kann. Nur zeigt mir meine Erfahrung in über 30 Berufsjahren, dass entweder die Wertschätzung des Einzelnen da ist oder eben nicht. Herbeireden lässt sich die jedenfalls nicht.

      Auch ist durchaus ein Wandel zu vermerken hin zur Wahrnehmung der Mitarbeiter als Mensch und weg von der Auffassung das Personal nur ein Produktionsfaktor ist.
      Allerdungs sind viele Unternehmen so damit überfordert In-Themen umzusetzten, dass darunter das Tagesgeschäft leidet. Darunter leidet dann die Kundenzufriedenheit und die GL wird hektisch. Das führt dann zu einem Wildwuchs an Besprechungen bei denen eigentlich kein Ergebnis erziehlt wird. Worunter dann das Arbeitsklima wieder leidet.
      Es kommt dabei wirklich auf den/die Vorgesetzten an. Leider musste ich auch schon erleben, dass gute Vorgesetzte von ihren Vorgesetzten oder Kollegen auf gleicher Ebene nicht gerne gesehen sind. Das macht wohl Angst, wenn die Mitarbeiter und deren Vorgesetzter füreinander einstehen.
      Natürlich muss man für Wertschätzung etwas tun. Leider funktioniert das aber nur, wenn auch andere das einsehen. Wie man das schafft, davon steht in den Artikel leider nichts.

  4. Hallo die Herrschaften,

    Zuerst ein Dankeschön für den Beitrag, der mir in vielerlei Hinsicht aus der Seele spricht.

    Ich bin als „Burnout-Überlebender“ in der interessanten Position, daß ich dieses Thema von beiden Extremen her kenne. Einerseits verstehe ich daher die Bedenken (inklusive Verantwortung für abhängige Familienmitglieder und erdrückendem Hauskredit), andererseits weiß ich dadurch inzwischen auch, wie viel davon reine Einbildung ist.

    Vor dem großen Einschnitt habe ich mir von meinem damaligen Chef mindestens einmal pro Woche einreden lassen, es würden „zehn Bewerber darauf brennen“, meinen Job zu übernehmen.

    Das mag vielleicht in einigen Berufszweigen auch so sein, meist sieht es inzwischen aber umgekehrt aus – viele Firmen suchen inzwischen händeringend halbwegs qualifizierte Mitarbeiter. Das geht so weit, daß ich bei meinem letzten Jobwechsel gekündigt habe, BEVOR ich eine einzige Bewerbung geschrieben habe. Ohne je Angst haben zu müssen, am Ende der Kündigungsfrist joblos zu sein.

    Das würde ich nun nicht unbedingt jedem empfehlen – sehr wohl aber zu prüfen, wie denn der Arbeitsmarkt tatsächlich aussieht. Den Aussagen des Arbeitgebers jedenfalls würde ich da nicht mehr vertrauen. Und bewerben kann man sich schließlich auch, ohne vorher alle Brücken abzubrechen.

    Aber wie Herr Slaghuis schon schreibt, Kündigung ist ja ohnehin nur eine von vielen Möglichkeiten und sollte im Normalfall eigentlich erst am Ende in Betracht kommen, wenn alles andere versagt.

    Gerade das Thema mit den Besprechungen ist da ein schönes Beispiel, das aber offenbar falsch verstanden wurde. Es geht nicht nur darum, über Sinn oder Sinnlosigkeit zu diskutieren, sondern tatsächlich den Termin ABZULEHNEN. Natürlich freundlich und mit guten Argumenten.

    Ich war nach Jahrzehnten des „Ja“-und-„Amen“-Sagens selbst überrascht, wie wenig Widerstand ich beim Ablehnen von Besprechungen begegne. Viele Kollegen und Vorgesetzte erkennen selbst die Vorteile (vor allem wenn ich erkläre, was ich stattdessen in dieser Zeit arbeiten werde), und nur selten werde ich gebeten, dennoch anwesend zu sein.

    Die Angst, deswegen als Widerständler und Arbeitsverweigerer abgestempelt zu werden, hat sich selbst in den schlechtesten Arbeitsverhältnissen nie bewahrheitet. Im Gegenteil, ich habe durchaus gute Erfahrungen damit gemacht, daß ich dadurch verstärkt als ernstzunehmender Gesprächspartner und starke Persönlichkeit wahrgenommen werde. Duckmäuschen sind nämlich weit weniger beliebt als uns das Schulsystem weismachen will.

    Wichtig ist eben, stets freundlich zu bleiben und mit handfesten Argumenten und idealerweise guten Alternativlösungen zu arbeiten, denn Unmut und abfällige Bemerkungen bauen nur unnötigen Widerstand auf – genau damit arbeiten wir aber meist, wenn wir jahrelang frustriert alles schlucken, bis es irgendwann nicht mehr geht.

    Unterm Strich kann ich Frau Stefanie nur zustimmen: Niemand (und vor allem nicht die Familie) hat etwas davon, wenn man sich selbst kaputt macht – vor allem eben nicht, wenn man sich selbst Horrorszenarien ausmalt, die erfahrungsgemäß ohnehin nicht eintreten werden.

  5. Ich kann mich nur meinen Vor-Kommentatoren anschließen. Sechs Jahre bis zur Rente, mittleres Management und seit knapp 40 Jahren in einem Unternehmen mit 800 Mitarbeiter, das sich kulturell stark gewandelt hat. In den „Überlebensmodus“ zu schalten ist schlecht sagt der Hausphilosoph auf dem Führungskräfteseminar. Nein, ich kann meinem Geschäftsführer nicht sagen, dass er die Firmenphilosophie schon längst nicht mehr lebt und alle sich ducken. Ja, das stresst, geduckt zu bleiben, aber noch mehr stressen und krank würden mich die Machtspielchen machen, bis ich eine halbwegs gute Abfindung ausgehandelt hätte und ich meine Mitarbeiter im „Regen stehen“ ließe, Also Angst vor Veränderung – ja, des lieben Überlebenswillens zu Liebe denn ich muss noch einen Frührentner mit 700€ Rente mit ernähren und ein geerbtes Haus abzahlen und kann nicht sagen, tschüss Ehemann, tschüss Haus, tschüss Job, ich werde jetzt Selbstverwirklicherin.

    1. Frau Brown,
      jeder darf seine Frustrations- und Tolerenzgrenzen selbst bestimmen. Und je nach Love it – Change it – Leave it muss jeder Mensch die Wahl treffen, die er ganz allein für sein Leben als richtig erachtet.
      Ich persönlich finde es schlimm, wenn langjährige Mitarbeiter anfangen, aufgrund von Unzufriedenheit ‚den Kopf einzuziehen‘ und ihre gesamte Kompetenz nicht mehr anzubringen, da die ‚Führungskraft‘ nicht kräftig führt. Was für eine Verschwendung von Resourcen!!
      Der Artikel – so verstehe ich ihn – soll allen Mut machen, auf Augenhöhe mit den Vorgesetzten und Kollegen umzugehen, damit eine innere Kündigung erst gar nicht auftaucht.

  6. Hi, mag vielleicht etwas pathetisch klingen. Als Vater von vier Kindern und Alleinverdiener musste ich im April hinnehmen, dass man mich aus betriebswirtschaftlichen Gründen kündigt. Prompt habe ich eine Anstellung in einem Personalberaterbüro gefunden, also keine Arbeitslosigkeit.
    Innerhalb der nächsten acht Wochen konnte ich als gelernter Coach sagen, dass ich hier die Arbeitswelt eines von einem narzisstisch geprägten Chefs erleben durfte. Nachdem er mich unter Druck gesetzt und vor versammelter Mannschaft runtergeputzt hatte (mein Stil passt ihm nicht, ich arbeite zu wenig – obwohl ich ohne wirklich große Ahnung von der Materie zu haben, bereits knappe 20 000 €uro Provision reingefahren hatte) habe ich beschlossen zu gehen.
    Und siehe da, ich bin einfach gegangen. Er hat mich gekündigt, ich habe ihm eine Dankeskarte geschrieben und die Fabel vom Fuchs und dem Raben drauf geschrieben.
    Ich selber gründe gerade mit der Unterstützung von Kollegen eine eigene Firma, weil es Kunden gibt die meinen Stil lieben.
    Ich möchte damit sagen: Mut ist eine seltene Eigenschaft. Aber wenn man wie ich 42 Jahre alt ist, möchte man sich nicht mehr von irgendwelchen Möchtegern-Chefs verarschen lassen. Ich habe kein Bock mehr darauf, dass der Geschäftsführer mir vorschreibt wie ich zu arbeiten habe. Ich habe das Ziel erreicht und Geld eingenommen…wie ich das mache, sollte meine Sache sein.
    In diesem Sinne: lasst euch nicht verbiegen und habt Mut..

  7. Hallo,
    ich bin bereits mein gesamtes Berufsleben Alleinversorgerin mit 2 Kindern und habe meine Weiterbildungen und Qualifikationen neben Beruf, Haushalt und Kindererziehung geschafft. Meine Motivation war mich in so wenig Abhängigkeit zu begeben wie möglich. Das ist nicht immer der Fall. Ich hatte auch kurzfristig Durchhalteproblem im Job, da Hauskredit, Kinder etc. finanziell von meinem Funktionieren abhängig sind. Aber es gibt nichts Befreiendes als Spaß in und an der Arbeit zu haben, ich verbringe dort den Großteil meiner Lebenszeit. Als das Durchhalten nicht mehr funktionierte, habe ich auch ohne neuen Job gekündigt und das als Frau mit 50 Jahren und ich habe den bisher besten Job meines Lebens bekommen. Wenn man motiviert ist und leidenschaftlich dann funktioniert das. Es geht ums Wollen und niemals ums Können. Jemand der will, kann lernen und wachsen und sich verändern, aber wenn einer zwar könnte aber nicht will, ist jeder Kommentar überflüssig. Ich möchte niemanden zu nahe treten, aber 45 Berufsjahre absitzen, nein danke, so einen Partner möchte ich dann auch nicht haben, da versorge ich mich gerne selber und verzichte auf Statussymbole. Veränderungen sind immer möglich und als Optimistin muss ich gestehen, jede Veränderung hat mich weitergebracht und ich bin daran gewachsen.
    Diese Erfahrungen wünsche ich auch allen, die noch abwarten und absitzen (sind ja nur ein paar Jahrzehnte).
    Um noch kurz richtig zu stellen, ich bin nicht der Meinung, dass man das Handtuch sofort werfen soll, aber sobald es einem an die Substanz und ans Wohlbefinden geht, ist es einfache Zeit weiter zu gehen.
    Elke

  8. Sehr hilfreicher und ehrlicher Beitrag. Obwohl ich noch jung bin und erst seit einigen Jahren arbeite fühle ich mich bei einigen Punkten bereits angesprochen. Vielleicht wird es schon Zeit etwas zu ändern.

    Vielen lieben Dank

  9. Guten Morgen,

    Die Frage „Warum tue ich mir das eigentlich an?“ ist für jedermann/jederfrau individuell zu beantworten. Eine allgemein gültige Antwort gibt es nicht.

    Natürlich gibt es die Helden (m/w) des Arbeitsalltags, die jede schwierige Situation locker bewältigen, und sich als Idole der übrigen Menschheit sehen und darstellen. Aber leider gibt es Menschen, die aufgrund ihres Lebenslaufes und ihrer Persönlichkeit bestimmte Schwächen haben, die es ihnen nicht ermöglichen, gesunde Entscheidungen zu treffen.

    In meinen nun 36 Berufsjahren habe ich vermeintliche Helden am Arbeitsplatz sterben sehen, weil sie sich ihres ungesunden Arbeitsstils bis zuletzt nicht bewusst waren. Ich habe Männer unter 50 sterben sehen, weil sie glaubten, das Projekt wäre ohne sie nicht durchführbar. Die Projekte wurden auch ohne diese Männer erfolgreich beendet. Die Stahlwerke und Reduktionsanlagen produzieren heute immer noch ihre Produkte. Über die ehemaligen toten Projektleiter spricht seit Jahren kein Mensch mehr.

    Selbstverständlich treffe ich auch heute noch wöchentlich auf die geltungssüchtigen, nach Anerkennung suchenden Superhelden der Arbeit. Natürlich gilt auch heute, der nächste Kollege ist der erste Konkurrent. Die Arbeitswelt wird immer abstruser, weil immer mehr Konkurrenten mit übersteigertem Selbstbewusstsein auf den Arbeitsmarkt geschwemmt werden, und ihre Konkurrenten (ehemals Kollegen) krank machen.

    Aber eines sollte sich jede(r) bewusst machen: Jede(r) hat nur dieses eine Leben. Und jede(r) ist für sich selbst verantwortlich. Nur man selber kann für sich die Frage beantworten: Ist es das wert? Willst du das?
    Wenn ich selber große Ansprüche habe, und bereit bin, die Ansprüche und Zwänge der Gesellschaft zu erfüllen, muss ich mich dem Druck beugen, und schauen wie weit meine Gesundheit mich das Spiel des Lebens mitmachen lässt.
    Wenn ich allerdings bereit bin, meine Ansprüche zurückzuschrauben, und mit ein wenig Demut und Genügsamkeit mein Leben zu leben – auch mit meiner Familie – dann macht mich das frei, Entscheidungen zugunsten meiner Gesundheit zu treffen. Und dazu gehört auch, einen unbefriedigenden Arbeitsplatz zu kündigen, oder wenn es mir gefällt (!!!) mit diesem unbefriedigenden Arbeitsplatz einfach zu überleben.

    Wichtig ist, dass ich mit meiner Entscheidung gut und glücklich leben kann.
    Das bedarf aber einer gewissen Unabhängigkeit. Und diese erlange ich nur durch Genügsamkeit und der Bereitschaft mich von den Zwängen und Ansprüchen der Gesellschaft zu befreien.

    In diesem Sinne, viel Glück!

  10. Vielen Dank für den hilfreichen Beitrag. Manchmal frage ich mich selber auch, „Warum tust du dir das eigentlich noch an?“ Gerade die Situationen, wie „Ihr Chef macht Sie vor versammelter Mannschaft zur Schnecke“ und „Immer bekommen Sie die blöden Aufgaben ab“ kenne ich nur zu gut. Seit langem bin ich auf mehreren Ebenen sehr unzufrieden mit meinem Job. Ich persönlich bin der Meinung, das nicht alles, was bei der Arbeit passiert, rechtlich in Ordnung ist. Jetzt bin ich an dem Punkt angekommen, wo ich mir einen Anwalt für Arbeitsrecht in Oldenburg suchen möchte und aktiv gegen solche Sachen vorgehen möchte.

  11. Warum man sich das antut? Gaaanz einfach: Wer braucht schon einen Ingineur mit 58 Jahren, der hochflexibel ist?? Antwort: Niemand. Unerfahrene Jugend ohne Wissen wird eingestellt. Und warum (kostet doch das Unternehmen sehr viel)? Gaanz einfach: Dann kann man sich mit Unsinn produzieren. Die heutige Jugend sagt zu allem Ja und Amen, weil sie bei dieser Absolventenquote (über 50% eine Jahrgangs haben „studiert“ und kennen leider nicht die einfachsten Begriffe ihres Faches) und ihrem Unwissen froh sind, einen Job zu haben. Ergo mach‘ ich das auch. Nach mir die Sintflut. Hauptsache es reicht bis zur (Früh-)rente. Und so wie ich denkt die Mehrheit! (63% nach Umfragen!).

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