Die Komfortzone. Ein schlechter Ort?

Viele Erfolgs-Ratgeber und Management-Trainer versuchen uns immer wieder klar zu machen, dass wir uns aus unserer sehr schnell lieb gewonnenen und so sehr vertrauten Komfortzone heraus bewegen sollten. Zu Wachstum und Erfolg können wir es nur bringen, wenn wir die Komfortzone verlassen und Neuland betreten. Aber Vorsicht – hinter der sogenannten Wachstumszone lauert schon die Panikzone – also nicht zu weit hinaus wagen!

In unserer Erziehung und später im Berufsleben lernen wir, dass wir immer schneller oder besser als andere zu sein haben. Ein endlos erscheinender Wettbewerb um Kompetenzen und Fähigkeiten. Dies liegt in der Natur der Sache. Wir Menschen streben in unserem Leben grundsätzlich nach Selbstverwirklichung. Hierfür ist ein gesundes Maß an Entwicklung erforderlich. Diese Entwicklung können wir meist nur durch das Verlassen unserer eigenen Komfortzone realisieren. Wenn die Komfortzone gleichzusetzen ist mit für uns guten Gewohnheiten, Erprobtem und einem hohen Maß an Sicherheit, dann kommen wir nur außerhalb der Komfortzone mit für uns neuen, vielleicht ungewohnten und risikobehafteten Erfahrungen in Kontakt, aus denen wir lernen und uns entwickeln können. Wachstum erfordert Veränderung, Veränderung bedeutet Verlassen ausgetretener Wege.

Soweit so gut. Oft erlebe ich Menschen in meinen Coachings, die sich in einer von außen betrachtet beeindruckenden Komfortzone befinden und diese auch zu schätzen wissen. Ein gutes Einkommen, nette Kollegen und eine glückliche Familie zu Hause. Sie fragen sich häufig, möchte ich diese Komfortzone wieder verlassen, um vielleicht noch weiter zu kommen? Um noch mehr Geld zu verdienen? Um in der Unternehmenshierarchie noch weiter aufzusteigen? Um noch mehr Ansehen bei den Freunden und in der Gesellschaft zu erreichen? Oder sollte ich doch lieber versuchen, das vielleicht in den letzten Jahren einhergehend mit dem beruflichen Erfolg aus der Balance geratene Verhältnis zwischen Berufs- und Privatleben wieder auszugleichen? Diese Frage verunsichert Menschen in derartigen Lebenssituationen oft sehr.

Viele Menschen werden mit der Zeit müde, Kraft aufzuwenden, um immer wieder aus ihrer Komfortzone zu entfliehen, sobald sie das Gefühl haben, dass diese zu gemütlich wird. Es setzt irgendwann – häufig im Alter zwischen 45 und 50 Jahren – das Bedürfnis ein, die erreichte Komfortzone auch einmal genießen zu dürfen. Sich zurücklehnen zu können, im Hier und Jetzt zu verharren und auf das Erreichte wertschätzend zu blicken.

Ich bin der Meinung, jeder sollte für sich selbst entscheiden, in welcher Zone er sich wohl fühlt und glücklich ist. Derjenige, der in seinem nine-to-five-Job aufgeht und ausreichend viel Einkommen erwirtschaftet, um die Familie zu versorgen und sich einen Urlaub pro Jahr zu gönnen, darf genauso glücklich sein wie der erfolgshungrige Top-Manager, der Stillstand hasst und alle zwei Jahre sein Gehalt verdoppeln möchte. Wir dürfen und sollten zu jedem Zeitpunkt unseres Lebens bestimmen, ob wir das Gefühl von Sicherheit und Gewohnheit in der Komfortzone bevorzugen oder ob wir uns in der Wachstums- oder vielleicht auch Panikzone wohler fühlen.

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Dr. Bernd Slaghuis

Ich arbeite als Karriereberater & Bewerbungscoach und habe mich auf Themen rund um die Karriereplanung und berufliche Neuorientierung spezialisiert. Seit 2011 habe ich über 2.000 Angestellte bei ihrem nächsten Schritt im Beruf sowie im Bewerbungsprozess begleitet - über alle Hierarchieebenen und Branchen hinweg - Online oder in meinem Kölner Büro. Meine Erfahrungen teile ich hier im Blog, in meiner SPIEGEL-Kolumne sowie als XING Insider und LinkedIn Top-Voice.

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