Jahresgespräch mit dem Chef vorbereiten: Sie sind der Talkmaster

Viele Jahresgespräche verlaufen steif nach Schema-F und oft haben Mitarbeiter Angst vor dem jährlichen Pflichttermin mit ihrem Chef. Nutzen Sie die Chance, die Weichen für Ihre berufliche Entwicklung zu stellen. Was Sie für Ihr Jahresgespräch vorbereiten sollten und wie Sie zu einem gleichberechtigten Talkmaster in einem Gespräch auf Augenhöhe werden.

Jahresgespräch: Lästiges Pflichtprogramm oder guter Austausch?

In den meisten Unternehmen finden sie in den letzten Wochen des Jahres, manchmal auch erst im Januar statt. Ein Pflichttermin für jeden Mitarbeiter, aufgebrummt vom Chef – im Auftrag der Personalabteilung.

Oftmals hängen von der Beurteilung der Leistungen eines Mitarbeiters Bonuszahlungen oder variable Gehaltsbestandteile ab. Ein vorgegebener und für alle Mitarbeiter gleich geltender Prozess zur Durchführung und Protokollierung der Gespräche ist für beide Seiten daher sehr sinnvoll. Doch die Kehrseite: Diese Gespräche verlaufen meist förmlich steif und sind auf Mitarbeiterseite nicht selten durch Angst und Unsicherheit geprägt.

Doch wie wäre es, wenn das Jahresgespräch ein Treffen auf Augenhöhe ist? Wenn Sie sich als Mitarbeiter auf dieses Gespräch freuen, weil Sie die Chance haben, für Sie persönlich wichtige Themen mit Ihrer Führungskraft zu besprechen. Wie wäre es, wenn Sie diesen Termin bewusst nutzen, um Ihre nächsten Karriereschritte in die für Sie passenden Bahnen zu lenken?

Gast oder Talkmaster – welche Rolle werden Sie einnehmen?

Auch wenn Ihr Chef Sie formal zu diesem Gespräch einlädt, ist es Ihre Entscheidung, mit welcher Haltung Sie dort auftreten. Sind Sie der vorgeladene Gast im Chef-Büro, der pflichtbewusst Rede und Antwort steht, oder sind Sie der gleichwertige und geschätzte Gesprächspartner, der auch eigene Meinungen und Themen einbringt?

Es ist eine Frage der Perspektive, in welches Licht Sie selbst Ihr Jahresgespräch rücken. In welcher Rolle fühlen Sie sich wohl und was glauben Sie, wie das Gespräch für Sie den größten Nutzen hat? Entscheiden Sie sich für den Talkmaster und damit Mitgestalter des Jahresgesprächs, dann sollten Sie diese Dinge bei Ihrer Vorbereitung berücksichtigen:


Lese-Tipp: Gespräch mit dem Chef: Wie sage ich, dass zu viel zu tun habe?


Ihr Gesprächspartner: Wie gut kennen Sie Ihren Chef?

Ein erfahrener Talkmaster kennt seine Gesprächspartner. Wie gut kennen Sie Ihren Chef?

  • Wissen Sie, was ihr oder ihm im Job und in dieser Position besonders wichtig ist?
  • Kennen Sie seine persönlichen und die ihm vom Unternehmen gesetzten Ziele?
  • Was schätzen Sie besonders an ihm und was stört Sie auch?
  • Welche sind seine fachlichen Stärken und was möchten Sie von ihm lernen?
  • Welche positiven gemeinsamen Erlebnisse sind Ihnen in Erinnerung geblieben?
  • Was funktioniert in der Zusammenarbeit gut und wo hakt es aus Ihrer Sicht heute noch?

Mein Tipp: Schreiben Sie auf, was Sie hiervon für Ihren „Talk“ verwenden können. Sie werden sicherlich auch nach Ihrem Feedback gefragt. So können Sie gelassen antworten und Ihr Feedback für den Chef an Situationen aus den letzten Monaten konkretisieren.


XING Talk: „Das Jahresgespräch: So bereiten Sie sich optimal darauf vor.“


Die Top-Themen: Was interessiert Sie wirklich?

Angenommen, das Gespräch verläuft ganz nach Ihren Vorstellungen und Sie verlassen das Büro Ihres Chefs. Worüber haben Sie beide gesprochen und mit welchen Ergebnissen werden Sie an Ihren Arbeitsplatz zurückkehren? Für viele Angestellte sind dies die drei Top-Themen:

1. Die eigene Karriere-Entwicklung

Wie beurteilt der Vorgesetzte Ihre Entwicklung des letzten Jahres und welche nächsten Karriere-Schritte kann er Ihnen in Aussicht stellen? Was ist Ihnen für Ihren nächsten Karriere-Schritt wichtig? Möchten Sie den Weg in Richtung Führungskarriere einschlagen bzw. fortsetzen oder reizt Sie eine Experten- oder Projekt-Laufbahn? Welche Karriere-Entwicklung passt zu Ihrer aktuellen Lebenssituation?

Karrieren sind heute vielfältiger als das sture Klettern auf der Karriereleiter nach oben. Wo soll Sie der nächste berufliche Schritt hinführen und was versprechen Sie sich davon?

Mein Tipp: Updaten Sie vor dem Gespräch Ihr Bewusstsein über Ihre eigenen Werte und Ziele und fokussieren Sie sich auf das, was Ihnen persönlich heute und in den nächsten Monaten im Beruf und Leben wirklich wichtig ist.

2. Förderung der persönlichen und fachlichen Weiterentwicklung

Neues lernen steht bei den Karriere-Zielen der meisten Angestellten heute ganz oben auf der Agenda. Viele Chefs haben nur die fachliche Weiterbildung ihrer Mitarbeiter im Blick, doch insbesondere für Führungskräfte sollte auch die Persönlichkeitsentwicklung gefördert werden.

Mein Tipp: Machen Sie sich im Vorfeld des Gesprächs Gedanken, welche Weiterbildungen Sie interessieren. Recherchieren Sie Anbieter und präsentieren Sie Ihrem Chef konkrete Vorschläge. Sie sollten erklären, warum Sie diese Weiterentwicklung für sich in Ihrer Position als sinnvoll erachten und welchen Nutzen auch das Unternehmen hiervon haben kann.

3. Die Gehaltsentwicklung

Auch wenn es im Beruf insbesondere für junge Generationen immer mehr um Sinn und Anerkennung geht, spielt die Gehaltsentwicklung dennoch eine zentrale Rolle bei der Mitarbeiterzufriedenheit. Das Jahresgespräch bietet sich an, auch die Gehaltsentwicklung zu thematisieren.

Mein Tipp: Informieren Sie sich über aktuelle Gehaltsniveaus in Ihrer Position und Branche. Der VDI Gehaltstest ist eine gute Möglichkeit. Vermeiden Sie beim Thema Gehalt den direkten Vergleich mit Kollegen. Fokussieren Sie den Blick auf Ihre Leistungen und den Nutzen, den Sie für das Unternehmen auch in Zukunft stiften werden, etwa durch Erweiterung Ihres Aufgabengebietes oder die Mitarbeit in Projekten. Schaffen Sie vor dem Gespräch für sich Klarheit, welche Gehaltsentwicklung aus Ihrer Sicht realistisch und wünschenswert ist.

Auf Sendung: So starten Sie sicher und gelassen in Ihr Jahresgespräch

Mit der richtigen Haltung und einer guten Vorbereitung dürfen Sie sich auf Ihr nächstes Jahresgespräch freuen. Selbst wenn es dabei Kritik vom Chef zu Fehlern oder im letzten Jahr nicht erreichten Zielen gibt, ist das Gespräch auch Ihre Chance, hierzu sachlich Position zu beziehen und am Ende daran zu wachsen.

Sie sind der Chef Ihres Lebens und haben es auch in der Hand, als Talkmaster im Jahresgespräch Impulse zu setzen sowie auch Entscheidungen zu treffen, um Ihren beruflichen Weg für die nächsten Monate aktiv und eigenverantwortlich zu gestalten.

(Bildnachweis: 123rf.com, 54744854)

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Dr. Bernd Slaghuis

Ich arbeite als Karriereberater & Bewerbungscoach und habe mich auf Themen rund um die Karriereplanung und berufliche Neuorientierung spezialisiert. Seit 2011 habe ich über 2.000 Angestellte bei ihrem nächsten Schritt im Beruf sowie im Bewerbungsprozess begleitet - über alle Hierarchieebenen und Branchen hinweg - Online oder in meinem Kölner Büro. Meine Erfahrungen teile ich hier im Blog, in meiner SPIEGEL-Kolumne sowie als XING Insider und LinkedIn Top-Voice.

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Dieser Beitrag hat 3 Kommentare
  1. Wenn ich an meine letzten Gespäche denke, so kommt mir da in den Sinn:
    – Sinnlos.
    – Zeitverschwendung.
    – Ahnungslos.
    In tarifgebundenen Unternehmen, gerade wenn diese Gespräche auch finanzielle Bedeutung haben, muss immer der Betriebsrat mit eingebunden werden. Bis es dann eine Einigung über die Frage und deren Wertung gibt, vergehen gefühlte Jahre. Dann muss noch ein Beispielkatalog mit Antworten, deren Bedeutung und deren Wert (Punkte `= Geld) erstellt werden. Leider wird dies alles von Leuten gemacht, die von der Materie kaum Ahnung haben. So kommen dann da die tollsten Stilblühten mit kaum zutreffenden Beispielen heraus.
    End vom Lied ist dann, dass beide Seiten gefrustet aus diesen Gesprächen herausgehen.
    Ein „schönen“ Beispiel ist mal bei mir gewesen, dass ich gelobt wurde, dafür dass ich immer bereit war länger zu arbeiten (als Teilzeitkraft), wenn es der Auftrag erforderte (was quasi immer der Fall war). Ich aber gleich danach eine Abwertung bekam, weil ich ja immer länger arbeiten würde als es mein Vertrag vorsehen würde.
    Meine Konsequenz war darauf, dass ich es eingestellt habe, länger zu arbeiten. Schließlich lasse ich mich nicht anmeckern für eine Leistung, die ich freiwillig erbringe nur weil die Organisation nicht funktioniert.
    Ach ja, Bemerkungen, Stellungnahmen und Ablehnungen, die ich auch schriftlich auf den Bewertungsbögen vermerkte, bewirkten nie irgendeine Reaktion.

    So hat dann jeder nur darauf geachtet, dass die Bewrtung nichts am Gehalt verschlechterte.

    1. Hallo Herr Ende,
      ich sage im Beitrag nicht, dass ich Jahresgespräche in der Form für sinnvoll halte, wie sie heute in den meisten Firmen angelegt sind. Viel zu viel Schema-F und starrer Bewertungsbogen. Aber es gibt sie in den meisten Unternehmen und leider viel zu oft auch so, wie Sie es erleben. Danke für die eindrucksvolle Schilderung des Wahnsinns. Ich frage mich, warum beide Seiten das so mitmachen und es in einer Organisation wie bei Ihnen niemand schafft, diesem Wahnsinn ein Ende zu setzen – entweder durch Abschaffung solcher „Rituale“ oder durch Veränderung. Mein Beitrag sollte ein Impuls zur Veränderung sein, der auch von Mitarbeitern ausgehen kann.
      Viele Grüße, Bernd Slaghuis

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