Schlechte Noten: So punktest du trotzdem als Bewerber

Wie wichtig ist das Schulzeugnis oder welche Relevanz haben die Noten aus dem Studium für das Finden eines guten Jobs? Das werde ich sehr häufig von Bewerbern gefragt, die ihre Zeugnisse am liebsten verbrennen möchten. Für viele von ihnen sind schlechte Noten der sichere Grund, beim Wunscharbeitgeber nicht zu punkten. Stimmt das? Aus meiner Erfahrung mit Bewerbern und Gesprächen mit Personalentscheidern kommt es weniger auf die Noten selbst, sondern auf den richtigen Umgang damit an. Wie du als Bewerber mit unterirdischem Abi-Schnitt, magerem Hauptschulabschluss oder dem Langzeit Bachelor-Studium richtig Schwäche zeigen und den guten Job nicht trotzdem, sondern erst recht bekommst.

Schlechte Noten? – So ist es!

Viele Bewerber fragen mich, ob sie das schlechte Zeugnis besser nicht als Anlage zur Bewerbung beilegen sollen. Sie schämen sich und möchten diesen Teil ihres Lebens am liebsten verheimlichen. Sie hoffen, dass es nicht auffällt und beten, dass sie im Vorstellungsgespräch nicht auf die Schule, das Studium oder die fehlenden Unterlagen angesprochen werden.

Das ist aus meiner Sicht der größte Denkfehler von Bewerbern. Nicht nur, weil sich ein Personaler fragt, warum das Zeugnis fehlt und damit der Forscherinstinkt erst recht geweckt wird, sondern vor allem, weil Heimlichtuerei keine gute Basis für den Start in eine vertrauensvolle Arbeitsbeziehung ist. Diese Haltung macht Sie als Bewerber schwach, erfahrene Mitarbeiter in Personalabteilungen bemerken es bereits zwischen den Zeilen Ihres Anschreibens, spätestens im Gespräch werden Sie so keine gute Figur machen.

Insbesondere für Berufseinsteiger gilt, weil das Zeugnis noch höhere Relevanz hat: Sagen Sie, was Sache ist! Die Noten lassen sich nicht rückgängig machen und gehören wie jede Lücke und jeder vermeintliche Fehltritt in Ihrem Lebenslauf zu Ihrem Leben dazu. Vielleicht waren Sie in der Pubertät schrecklich faul und hatten nur Augen für andere Dinge als Mathe oder Schillers Glocke. Vielleicht haben Sie während des Studiums Ihre Freiheit von Zuhause genossen, sich selbst gefunden oder einfach viel gearbeitet, um das Studium zu finanzieren. Vielleicht haben Sie in dieser Zeit auch Angehörige gepflegt oder bereits eine Familie gegründet – und das Studium daher schleifen lassen. Was auch immer dazu geführt hat, es ist (Ihre) Geschichte!

Akzeptieren Sie die Tatsachen und machen Sie sie nicht dafür verantwortlich, dass Sie als Bewerber nicht ankommen. Sagen, was Sache ist, das heißt für mich, nicht nur die Zeugnisse offen zu legen, sondern auch das Offensichtliche anzusprechen. Nicht als Rechtfertigung oder Schuld der strengen Lehrer oder Professoren, sondern eine sachliche, persönliche Erklärung.

Frage ich im Bewerber-Coaching nach, dann sind es häufig leicht verständliche und sehr menschliche Gründe, warum ein Zeugnis so aussieht, wie es ist. Genau hierüber im Bewerbungsgespräch zu sprechen, das zeigt Reflexionsvermögen, Selbstbewusstsein und macht Sie obendrein als Mensch mit Ecken und Kanten echt sympathisch. Vor allem junge Bewerber, die es so tun, berichten mir danach, dass das Thema Noten überhaupt keine Rolle gespielt habe. Das Offensichtliche wird so unaufgeregt zu Normalität.

Bewerbung: Mit heutiger Persönlichkeit statt alten Noten punkten

Auf dem diesjährigen Kölner Karrieretag habe ich auch einen Vortrag speziell für Auszubildende gehalten. Beim Blick auf die Zuhörer fiel mir ein junger Mann auf, weil er extrem interessiert schien und mir aufmerksam folgte. Nach einigen Minuten zeigte er auf und stellte eine Frage. Selten trauen sich Zuhörer, im großen Kreis Fragen zu stellen. Das fand ich gerade für einen jungen Menschen außergewöhnlich und sehr selbstbewusst.

Im Anschluss des Vortrags kam er auf mich zu und stellte die Frage, die der Impuls für diesen Beitrag war: „Aber was tun, wenn die Noten schlecht sind?“ Er hat einen Hauptschulabschluss und war scheinbar keine Leuchte in Mathe. Er bewirbt sich auf Stellen in der Produktion oder als Lagerhelfer. Dass er anpacken kann, daran habe ich keinen Zweifel. Mir stand ein sympathischer Mensch gegenüber, der sich gut ausdrücken kann, voller Motivation auf Jobsuche ist, doch trotzdem bisher nur Absagen erhalten hatte.

Ich habe ihm geraten, noch stärker seine Persönlichkeit und seine Ziele für die Zukunft in den Fokus zu stellen und seine ehrliche Haltung beizubehalten, schlechte Noten nicht zu verheimlichen, sondern potenziellen Arbeitgebern liebevoll klar zu machen,  dass ein Produktionshelfer nie wieder Integrale berechnen oder Kurvendiskussionen führen muss.

Berufseinsteiger mit schlechten Noten benötigen als Bewerber die Chance, dass sie jemand persönlich kennenlernt. An solchen Personalern vorbei, die lediglich „Hauptschule“ und „Mathe-Niete“ sehen, ihn in Schubladen stecken und damit einen Grund für die Absage gefunden haben. Job-Messen wie diese sind eine gute Gelegenheit. Auch das Vitamin B aus dem eigenen Netzwerk oder die persönliche Vorstellung samt guter alter Bewerbungsmappe beim Mittelständler um die Ecke können in diesem Fall zum Ziel führen.

Relevanz der Noten für die Zielposition ehrlich beurteilen

Je mehr Berufserfahrung Sie sammeln und je weiter die Schul- und Ausbildungszeit in die Vergangenheit rückt, desto weniger relevant werden die Zeugnisse von früher. Sie gehören aus meiner Sicht dennoch immer als Anlage zu einer vollständigen Bewerbung dazu.

Auch wenn sofort die Emotionen und Erinnerungen von früher hochkommen, machen Sie sich bewusst, wie wichtig der Abschluss oder das in dieser Zeit Erlernte tatsächlich für Ihre nächste Position im Beruf sind. Rücken Sie in Ihrem Kopf und dann auch in der Bewerbung  vielmehr das alles ins richtige Licht, was Sie seitdem an Erfahrungen und Wissen gesammelt haben und für die Zielposition mitbringen.

Damals sofort nach dem Studium kam mir die Vier in Allgemeiner BWL und sonst guten oder sehr guten Noten auf dem Abschlusszeugnis der Uni wie ein Schandfleck vor. Würde ich mich heute – 15 Jahre später – noch einmal als Angestellter bewerben, bin ich mir sicher, dass nicht mehr jede einzelne Note beäugt würde, sondern nur der Abschluss zählt.

Was gilt für junge Bewerber ganz ohne oder mit wenig Berufserfahrung? Vermutlich bewerben Sie sich mit einer Fünf in Mathe nicht im Risikomanagement einer Bank. Und mit drei Punkten im Abi in Deutsch-Leistung nicht als Lektorin oder Journalist. Eigentlich wissen Sie als Bewerber genau, was echte k.o.-Kriterien für einen Beruf sind und kommen auch nicht auf die verrückte Idee, Ihre größte Schwäche zum Beruf zu machen. Für alles andere gilt aus meiner Sicht: Schwächen sind Entwicklungspotenziale!

Gezielt Arbeitgeber suchen, die auf mehr als Noten stehen

Was aus meiner Sicht immer wichtig für einen erfolgreichen Bewerbungsprozess ist, gilt umso mehr im Fall schlechter Zeugnisse: Gehen Sie gezielt vor bei der Suche und Auswahl Ihres nächsten Arbeitgebers. Auch wenn ich im Folgenden stark verallgemeinere und natürlich nicht jeden Personalauswahlprozess in deutschen Unternehmen kenne, möchte ich Sie dafür sensibilisieren, dass es bestimmte Arbeitgeber gibt, die stärker auf Noten und Abschlüsse achten als andere und dass Sie sich Gedanken machen, wo Sie mit höherer Wahrscheinlich für den nächsten Job gut ankommen.

Ja, manche Arbeitgeber können es sich heute (noch) leisten, eingehende Bewerbungen im ersten Rutsch nach Abi-Noten oder Punkten im Uni-Zeugnis auszusortieren. Je größer und attraktiver das Unternehmen als Arbeitgeber und je mehr Bewerbungen dort eingehen, umso größer die Wahrscheinlichkeit, dass Sie als Bewerber mit schlechten Noten automatisiert eine Absage erhalten. Es ist ein klares Kriterium, um die Spreu vom Weizen zu trennen und solche Unternehmen gehen das Risiko ein, auch dem ungeschliffenen Rohdiamanten unter den Bewerben mit schlechten Noten abzusagen.

Schwierig mit schlechten Noten – vor allem für blutige Berufseinsteiger – ist es auch überall dort, wo Fachwissen und Lernkompetenz in hohem Maß mit dem Berufsbild verbunden sind, wie etwa in juristischen Berufsfeldern, der Beratung oder Wirtschaftsprüfung. Auch die Stelle in Wissenschaft und forschungsnahen Einrichtungen werden Sie mit schlechtem Studienabschluss in Ihrem Fach nur schwer bekommen. Ebenso im Bereich des öffentlichen Dienstes oder großer Non-Profit-Organisationen und überall dort, wo Auswahlprozesse sehr stark standardisiert geregelt oder sogar offiziell an einen mindestens erreichten Notendurchschnitt gekoppelt sind.

Gute Chancen haben Sie tendenziell überall dort, wo sich Personalentscheider oder zukünftige Chefs noch die Zeit nehmen, sich intensiver mit Ihrer Bewerbung auseinander zu setzen und so die Wahrscheinlichkeit höher ist, dass sie nicht nur nach Noten aussortieren, sondern auch die anderen Aspekte Ihres Lebenslaufs und Motivationsschreibens wertschätzen können. Dies ist tendenziell eher in kleinen und mittelgroßen Unternehmen der Fall, also bei mittelständischen oder sogar noch Inhaber geführten Arbeitgebern, bei jungen oder kleinen Firmen mit Startup-Charakter und überall dort, wo sich der Fachkräftemangel in bestimmten Regionen Deutschlands oder in bestimmten Branchen heute bemerkbar macht.

Klare Kante zeigen als Bewerber

Klarheit ist aus meiner Sicht der Schlüssel für jede erfolgreiche Bewerbung. So auch in Bezug auf schlechte Noten oder unterdurchschnittliche Abschlüsse. Eigene Klarheit darüber, wie wichtig das alles wirklich für Ihren nächsten Schritt ist und Klarheit in der Haltung und Kommunikation einem potenziellen neuen Arbeitgeber gegenüber.

In der Arbeit mit Bewerbern mache ich die Erfahrung, dass die Kombination aus klarer Kommunikation und gezielter Suche die Einladungsquote zu Gesprächen erkennbar erhöht.

Doch am Ende muss Ihre Haltung und Klarheit auch zu Ihnen und Ihrer Persönlichkeit passen. Entscheiden Sie unabhängig von den Meinungen anderer – und auch mir, was für Sie ein guter Weg ist, mit schlechten Noten oder Abschlüssen in Ihrer Rolle als Bewerber umzugehen.

Denn wenn Sie sich selbst dessen bewusst sind, wieder an sich glauben und auch das schätzen können, was Sie neben einem Zeugnis als motivierter und guter Mitarbeiter alles im Gepäck dabei haben, dann werden Sie es auch nach außen zeigen können.

 

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Dr. Bernd Slaghuis

Ich arbeite als Karriereberater & Bewerbungscoach und habe mich auf Themen rund um die Karriereplanung und berufliche Neuorientierung spezialisiert. Seit 2011 habe ich über 2.000 Angestellte bei ihrem nächsten Schritt im Beruf sowie im Bewerbungsprozess begleitet - über alle Hierarchieebenen und Branchen hinweg - Online oder in meinem Kölner Büro. Meine Erfahrungen teile ich hier im Blog, in meiner SPIEGEL-Kolumne sowie als XING Insider und LinkedIn Top-Voice.

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Dieser Beitrag hat 9 Kommentare
  1. Das ist ein sehr interessanter Artikel! Ich denke auch, dass man seine Zeugnisse auf jeden Fall immer mitschicken sollte. Egal, wie schlecht sie sind. Es kommt nicht immer nur auf die Noten an, sondern vor allem auch auf Sympathie und Ehrlichkeit.

    1. Nope.
      Ich hab das mal gemacht (am Anfgang), hab den zweit schlechtestmöglichen Schnitt (der Schlechteste ist 4.0), mir hat ein Job-Interviewer gesagt, ich solls nicht tun.
      Also mache ich das in der Regel auch nicht mehr.
      Muss jeder selbst wissen.

  2. Vielen Dank! Sie haben mir damit ein wenig Mut gemacht für die Suche nach einer Ausbildung. Ich gehe momentan in die 11. Klasse eines Gymnasiums und stehe kurz vor einem Abbruch der Schule, da ich durch meine schlechten Mathe-Noten keine Abiturzulassung erhalten werde. Nach der Schule würde ich gerne eine Ausbildung beginnen, jedoch denke ich, dass dies durch meine Noten sehr schwer werden könnte. Ich stehe momentan am Rand der Verzweiflung, doch Ihr Artikel hat mir in dem Punkt wieder etwas Hoffnung gegeben!

  3. Auch mir hat man lange den Bären aufgebunden, dass man nur mit Top-Noten an einen gut bezahlten Job kommt. Quatsch! Das, auf was es wirklich an kommt, sind Qualifikationen und Qualitäten, die aussagekräftiger sind, als eine Zahl auf einem Zeugnis. Ich bin trotz eines mittelmäßigen Fach-Abis nun an einen super Job in der Verwaltung eines Altenheims gekommen. Traut euch und sucht nach Berufen in Branchen wie Transport, Parität oder ähnliches. Dort wird immer gesucht. LG Max

  4. Für eine Ausbildung interessieren die Noten keinen Mensch!!
    Ich hatte auch einen 2,0 Realschul Schnitt und habe damals nur einen Scheißjob bekommen!
    Die Arbeitgeber waren Schuld.

    Wie es im Studium ist weiß ich nicht. Aber falls man mich auf meine Noten ansprechen sollte, hau ich gerne meine Meinung an den Kopf.

  5. Ich bin mir ziemlich sicher, das die Noten kaum jemanden interessieren. Als ich meinen Master per Fernstudium gemacht habe, hat mich nur Hamlet, Schein oder nicht Schein, interessiert. Am Ende war auch nur der master entscheidend fuer meine Arbeitsstelle, und nicht der Durchschnitt

  6. Wenn man das Abi mit guten Noten geschafft hat (v.a. in Bayern), ist man sicherlich für ein Studium nicht zu dumm und das werden auch die Arbeitgeber goutieren. Mit welchem Erfolg dann das Studium absolviert wird, hängt nicht zuletzt davon ab, wie man die „wissenschaftliche Denkweise“ verinnerlichen kann. Das liegt eben nicht jedem. Hier kann mitunter, v.a. bei Hausarbeiten oder einer Masterarbeit, eine Art wissenschaftliches Coaching helfen, um bessere Noten zu erzielen.
    Sollte es aber damit auch nicht klappen, ist es sinnvoll, möglichst viele gute Praktika während des Studiums zu absolvieren, um den CV aufzupeppen.

  7. Vielen Dank für den Beitrag zum Thema schlechte Noten. Mein Cousin hat seine Diplomarbeit mit einer schlechten Note bestanden und macht sich nun Sorgen um die Jobchancen. Gut zu wissen, dass man solche Tatsachen akzeptieren sollte und offen ansprechen sollte, warum es zu schlechten Noten kam.

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