Neue Führungsrolle: Warum Anpassung der falsche Weg ist.

»Können Sie mir beibringen, wie ich mich im Management besser durchsetze?« Immer wieder erreichen mich Anfragen dieser Art. Meist sind dies Arbeitnehmer, die gerade in eine neue Führungsrolle gekommen sind und sich infrage stellen. Nicht hart genug? Fehlende Durchsetzungsstärke? Als Chef muss man doch laut sein und durchgreifen können! Und außerdem weht im Management doch ein ganz anderer Wind. Da kann ich nicht mithalten! Ziel dieser Menschen ist es, ihre Persönlichkeit und ihr Verhalten derart zu verändern, dass sie dem „typischen“ Bild einer Führungskraft oder eines Managers entsprechen. Und als Karrierecoach weiß ich ja, wie sich ein Manager zu verhalten hat und kann dies also jedem beibringen ;-)

An dieser Stelle erkläre ich zunächst, dass ich in meiner Rolle als Coach nichts beibringe und in meiner Grundhaltung davon ausgehe, dass jeder bereits die Lösung für sein Problem in sich trägt. Ich unterstütze und begleite ihn oder sie dabei, diese Lösung zu entdecken und passende Handlungsschritte in Richtung der persönlichen Ziele abzuleiten.

Und hier ist der nächste kritische Punkt: das Ziel. Was steckt dahinter, wenn Menschen ihr Verhalten an das von anderen Menschen anpassen möchten? Ok, wir sind es von Kindheit gewohnt, Verhaltensmuster abzugucken und diese für uns zu übernehmen. Als Kleinkind beispielsweise sehen wir die Eltern oder größeren Geschwister mit Messer und Gabel essen und erkennen, dass wir dann auf weniger Hilfe angewiesen wären (weil wir das Essen z. B. selbst schneiden können) und auch mehr in kürzerer Zeit essen können. Ein durchaus sinnvolles Ziel für die Entwicklung von Kleinkindern.

Welches Ziel verfolgen Menschen, wenn Sie im Job sein möchten wie andere? Wir alle haben und brauchen Vorbilder in unserem Leben, um uns zu entwickeln. Eltern erfüllen diese Vorbildfunktion für ihre Kinder, im Berufsleben sollten Führungskräfte gute Vorbilder für ihre Mitarbeiter sein. Der springende Punkt ist aber, dass wir (ab einem gewissen Alter) selbst entscheiden, ob die Veränderung eines Verhaltens sinnvoll und gut für uns selbst ist. Die beiden Gründe für diese Entscheidung können sein:

  • Ich erkenne selbst, dass ich meine Ziele mit einer Veränderung des Verhaltens besser erreichen kann (z. B. mehr Klarheit in der Führung von Mitarbeitern) oder
  • Ich erfahre von anderen, dass sie von mir eine Veränderung meines Verhaltens wünschen oder mir dies empfehlen, damit ich meine oder die gemeinsamen Ziele besser erreichen kann (z. B. mehr Kooperation im Team) und ich entscheide mich, dies so anzunehmen.

Bei den Fällen der Coaching-Anfragen, die mich zu diesem Blogbeitrag angeregt haben, liegt in der Regel keiner der beiden Gründe vor. Die Rat Suchenden sprechen gleichzeitig mit der Beschreibung ihres zukünftig gewünschten Verhaltens aus, dass sie solche Menschen (die sich genau so verhalten) nicht mögen und es eigentlich auch falsch finden, sich so zu verhalten. Und dann fragen sie mich: „Aber hat man denn sonst im Management eine Chance?“.  Es geht also nicht darum, eine Veränderung des Verhaltens aus innerer Überzeugung und eigener getroffener Entscheidung herbeizuführen. Warum möchten Menschen (von mir) Verhaltens- und Denkmuster lernen, die sie selbst eigentlich ablehnen? Warum erscheint es in dieser Situation attraktiv, sich für die Karriere, mehr Geld, mehr Status und Anerkennung derart zu verbiegen?

Ich verneine gar nicht, dass dies für einige Menschen attraktiv ist, doch dieses Vorhaben wird nur dann von Erfolg gekrönt sein, wenn sie selbst für sich die Entscheidung treffen und überzeugt davon sind, dass diese Veränderungen zum gewünschten Ziel führen. Sie kennen es wahrscheinlich noch aus Ihrer Schulzeit: wenn Sie etwas aus innerster Überzeugung nicht lernen wollten (wozu braucht man sowas denn später?), dann haben Sie es wahrscheinlich auch nicht oder nur sehr schwer geschafft, sich diese Dinge zu merken und sie anzunehmen. Genau so sehe ich die Lage bei dieser Art von Coaching-Anfragen.

Eine eher introvertierte Frau als neue Führungskraft im Team von lauten, polternden Männern möchte auch „endlich laut sein und es allen mal so richtig zeigen.“ „Denn sonst hat man da ja keine Chance, aufzufallen und wird auch nicht akzeptiert.“ Nun, vielleicht ist diese Dame gerade wegen ihrer vermittelnden und Harmonie herbeiführenden Eigenschaften in diese Führungskräfte-Mannschaft berufen worden. Vielleicht bereichert sie gerade wegen ihrer anderen Denk- und Verhaltensmuster das Team und auch ihre Kollegen entdecken hierdurch neue Perspektiven und verändern ihr Verhalten. Gerade die Vielfalt der Kompetenzen und Persönlichkeiten trägt zu einem guten Team bei. (Dieses Beispiel bezieht sich auf eine Frau in einer Führungsposition, lässt sich aber genauso auch auf Männer übertragen und soll keine spezifisch Frauen betreffende Problematik aufzeigen!).

Pure Anpassung vor dem Hintergrund des vermeintlichen Erfolgs anderer Menschen ohne Reflexion der eigenen Persönlichkeit ist selten der richtige Weg. Ihr Weg sollte zu Ihnen passen, Sie sollten sich auf Basis Ihrer Ziele entscheiden, ob ein Weg für Sie der Richtige ist. Keine Frage, wenn Sie gerne – um bei diesem Beispiel zu bleiben – „lauter“ sein möchten und dies für sich lernen möchten, weil Sie davon überzeugt sind, dass Sie diese Veränderung weiter bringt und Sie diese auch selbst wertschätzen würden, ist dies für mich als Coaching-Auftrag völlig in Ordnung. Ich würde als Coach mit Ihnen daran arbeiten, Situationen zu erkennen, in denen Sie vielleicht heute oder in der Vergangenheit diese Eigenschaft bereits ansatzweise besessen haben sowie herausarbeiten, welche vorhandenen Ressourcen und Fähigkeiten Sie aktiv nutzen können, um dieses Ziel Schritt für Schritt zu erreichen.

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Dr. Bernd Slaghuis

Ich arbeite als Karriereberater & Bewerbungscoach und habe mich auf Themen rund um die Karriereplanung und berufliche Neuorientierung spezialisiert. Seit 2011 habe ich über 2.000 Angestellte bei ihrem nächsten Schritt im Beruf sowie im Bewerbungsprozess begleitet - über alle Hierarchieebenen und Branchen hinweg - Online oder in meinem Kölner Büro. Meine Erfahrungen teile ich hier im Blog, in meiner SPIEGEL-Kolumne sowie als XING Insider und LinkedIn Top-Voice.

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