Ist die Generation Y egoistisch? Ein Kommentar.

Setzt die Generation Y den Wohlstand der gesamten Gesellschaft aufs Spiel und handelt es sich bei dieser Generation tatsächlich um freche, faule, selbstverliebte und Luxus-verwöhnte Jungs und Mädels, die nur nach ihrem eigenen Vorteil streben? Oder hat die Generation Y gelernt, dass Erfolg und Karriere anders als bei ihren Eltern zu definieren sind? Müssen sich Arbeitgeber nach den Erwartungen der Generation Y richten, um sie für ihre Unternehmen zu gewinnen? Oder hat diese Generation einfach nur völlig überzogene Wunschvorstellungen in ihrer selbst erschaffenen schönen neuen Welt? Hierzu ist in den letzten Tagen viel und kontrovers diskutiert worden, eine Zusammenfassung der Perspektiven auf die Generation Y findet sich hier bei Spiegel Online.

Die Beschreibung der Generation Y als egoistisch taucht in den Veröffentlichungen gleich mehrmals auf. Ist dem so? Strebt unser Land auf eine von Selbstsucht und Eigenliebe geprägte arbeitende Bevölkerung zu, denen Regeln und Strukturen zuwider sind und die sich jeglicher Führung entziehen? Stimmt dieses Bild, welches einige Angehörige der Generation X bezogen auf die „Jugend von heute“ zeichnen? Ich sage: Nein. Diese Befürchtungen sind eine Reaktion sowohl auf Veränderungen in der Arbeitswelt (Stichwort Industriegesellschaft – Wissensgesellschaft) als auch auf einen gesellschaftlichen Wandel. Altes ist stärker als Neues. Ich verstehe die Sorgen der Babyboomer und der Generation X, die vieles aufgebaut und Werte geschaffen haben. Veränderungen bieten aber auch Chancen, wenn wir es schaffen, diese zu erkennen, anzunehmen und mit ihnen umzugehen.

Ist die Generation Y egoistisch?

Ist es egoistisch, eine eigene und klare Vorstellung über seine Werte und Ziele im Leben zu besitzen? Sind Menschen, die sich im Job erlauben, auch mal Nein zu sagen prinzipiell Egoisten? Ist es ein Zeichen von Selbstverliebtheit, wenn das Glück im Privatleben einen vergleichbaren Stellenwert einnimmt wie der Erfolg im Arbeitsleben? Hier wird Egoismus mit Selbstbestimmtheit in einen Topf geworfen.

Welche Werte hat die Generation Y im Leben und speziell im Berufsleben?

In meinen Coachings mit vielen jungen Berufstätigen zeigt sich ein klares Bild: Sinn steht für viele Menschen dieser Generation neben der Freude ganz oben auf der Werte-Skala. Nun kann nicht jeder mit seiner Arbeit die Welt retten oder etwas mit Menschen machen. Aber Sinn im Job bedeutet für viele junge Menschen mehr als soziales Engagement. Es kann bedeuten, aus eigener Überzeugung hinter Produkten oder Dienstleistungen zu stehen, Anforderungen und Erwartungen an sie zu begreifen und in Unternehmen sowie mit solchen Menschen zu arbeiten, denen Anerkennung und Wertschätzung ebenso wichtig sind. Direkt nach dem Sinn rangiert die Gerechtigkeit im Beruf. Es soll im Job gerecht zugehen, sowohl das eigene Verhalten soll gegenüber den Kollegen gerecht sein als auch die Erwartung, selbst gerecht behandelt zu werden. Dabei geht es weniger um Gerechtigkeit im Sinne eines vergleichbaren Gehalts. Vielmehr wird Gerechtigkeit aufgaben- und  verhaltensbezogen wahrgenommen. Behandelt der Chef die Mitarbeiter gleichwertig, wird offen und klar kommuniziert und wird allen Kollegen gleichermaßen mit Respekt und Wertschätzung begegnet? Das soziale Umfeld und der Umgang miteinander sind der Generation Y im Arbeitsleben sehr wichtig. Das alles sind Aspekte, die einem egoistischen Verhalten bzw. dem, was wir als negative Eigenschaft eines Egoisten verstehen, klar entgegenstehen.

Ist es gut, ein bisschen Egoist zu sein?

Sich selbst für sein eigenes Leben verantwortlich zu fühlen, sein Ding machen zu wollen und damit gleichzeitig ein hohes Maß an Selbstbestimmtheit im Leben und Beruf einzufordern kann nicht mit Egoismus gleichgesetzt werden. Ein Egoist – wie wir ihn landläufig verstehen – verschafft sich Vorteile zulasten anderer. Einem Egoisten sind infolge seiner ausgeprägten Ich-Bezogenheit die Wirkungen seines Handelns auf sein Umfeld gleichgültig. Lässt sich dieses Verhalten bei der Genration Y beobachten? Sicherlich gibt es auch Menschen in der Genration Y, die naiv, faul und bequem sind, sich maßlos überschätzen und glauben, sie können die Welt regieren. Es gibt auch solche, die sich gezielt Vorteile zulasten anderer verschaffen. Und es gibt die Rebellen, die grundsätzlich gegen alles bisherige sind und nur ihr Handeln als einzige Wahrheit anerkennen. Doch ist das ein Phänomen einer speziellen Generation? Hat es dieses Verhalten nicht immer in Teilen gegeben und hat es nicht auch etwas Positives, dass es genau diese Menschen gab – und auch immer geben wird?

Wie war es bei unseren Eltern?

Wenn ich (Jg. 1972) an meine Eltern und deren Kollegen und auch deren Werte und Vorstellungen im Arbeitsleben denke, sehe ich genauso Eigenschaften, die als egoistisch bezeichnet werden können. Wenn Manfred Schwaiger als Angehöriger der Generation X im Zeit-Artikel von einem Wettbewerb im Arbeitsleben und dem Karriere-Motto „Head down and deliver“ spricht, steckt hier ein Konkurrenz-Denken dahinter, denn nur die stärksten Ellenbogen und lautesten Profilierer können im Job die steilsten Karrieren machen. Der Kampf um den Aufstieg über die mit wachsender Konzerngröße immer kleiner werdenden Hierarchiestufen muss hart erarbeitet und steinig sein und dafür muss man bereit sein, so einiges zu opfern. Denn hierfür werde man ja auch bezahlt, so die Schlussfolgerung. Sind Ellenbogen-Verhalten und Profilierungsdrang um jeden Preis nicht auch ein Ausdruck von Egoismus?

Werte von Menschen verändern sich.

Sowohl die eines einzelnen Menschen während seines Lebens als auch die Werte ganzer Generationen. Der sogenannten Generation Y sind andere Dinge wichtig als ihren Eltern und Großeltern. Dies ist eine Tatsache und als solche zunächst völlig wertfrei festzustellen. Sicherlich liegt auch eine stärkere Ich-Bezogenheit im Sinne eines stärkeren Selbst-Bewusstseins in dieser Generation vor. Ist es nicht als positive Entwicklung zu bewerten, dass jungen Menschen heute wichtig ist, selbst Entscheidungen über ihre Ziele sowie ihre persönlichen und individuellen Lebens- und Arbeitsweisen zu treffen? Ist dies nicht gerade die Vielfalt und die Freiheit im Denken und Handeln, die unsere Gesellschaft positiv prägt und auch insbesondere von großen Arbeitgebern unter dem Stichwort Diversity beworben wird? Die Weiterentwicklung der Rahmenbedingungen der Arbeit sowie ein verändertes Verständnis von Management und Führung werden die Antworten auf die Veränderungen in der Arbeitswelt sowie der Gesellschaft sein. Dass die sogenannte Generation Y mit ihrer aus meiner Sicht gesunden Form eines Egoismus ihrem Umfeld oder sogar der gesamten Volkswirtschaft schadet, kann ich heute nicht erkennen.

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Dr. Bernd Slaghuis

Ich arbeite als Karriereberater & Bewerbungscoach und habe mich auf Themen rund um die Karriereplanung und berufliche Neuorientierung spezialisiert. Seit 2011 habe ich über 2.000 Angestellte bei ihrem nächsten Schritt im Beruf sowie im Bewerbungsprozess begleitet - über alle Hierarchieebenen und Branchen hinweg - Online oder in meinem Kölner Büro. Meine Erfahrungen teile ich hier im Blog, in meiner SPIEGEL-Kolumne sowie als XING Insider und LinkedIn Top-Voice.

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