Studie Karrieretrends 2016 (Teil 1): So zufrieden sind die Deutschen im Beruf

Wie hoch ist die Zufriedenheit im Beruf und welche Karriere-Ziele nehmen sich Berufstätige für dieses Jahr vor? Was bedeutet Karriere heute überhaupt und wie hoch ist auch der Wunsch ausgeprägt, im Job kürzer zu treten oder Verantwortung abzugeben, auch wenn dies mit einer Reduzierung des Einkommens verbunden ist? Denn auch dieses Ziel verfolgen viele Führungskräfte und Angestellte, die zu mir in die Karriereberatung kommen. Um Antworten auf diese und weitere Fragen zu erhalten, habe ich Ende letzten Jahres eine Online-Umfrage durchgeführt, an der 1.478 Personen aus ganz Deutschland teilgenommen haben.

Karrieretrends 2016: So zufrieden sind die Deutschen im Job

Gefragt nach der Einschätzung der eigenen beruflichen Entwicklung der letzten drei Jahre gaben 72% der Teilnehmer an, dass sie mittel bis sehr zufrieden sind, jeder Zehnte empfindet jedoch auch höchste Unzufriedenheit in seiner Entwicklung im Job.

 

 

Diese hohe Zufriedenheit im Beruf hat mich sehr überrascht. Hören wir doch ständig neue Nachrichten über die weiter steigenden Fehlzeiten von Angestellten infolge psychischer Erkrankungen am Arbeitsplatz und die nach wie vor lauten Rufe nach einer besseren Work-Life-Balance und Burnout-Prävention. Sind die Belastungen so sehr zur Routine geworden, dass sie zu einer zufriedenstellenden Entwicklung längst dazugehören?

Berufseinsteiger sehr zufrieden, Job-Frust in der Lebensmitte

Zwischen den Generationen zeigen sich deutliche Unterschiede: Die Zufriedenheit ist bei jungen Menschen unter 30 Jahren mit 82% am höchsten ausgeprägt. Den größten Job-Frust verpüren die 40-49-Jährigen. Hier sagen nur 61%, dass sie mittel bis sehr zufrieden sind, 15% gaben an, dass sie völlig unzufrieden mit ihrer Karriere-Entwicklung sind.

Die sogenannte Midlife-Crisis macht auch vor dem Job nicht Halt. Viele blicken auf ihre Karriere zurück und fragen sich: Möchte ich das die nächsten 15-20 Jahre bis zur Rente weitermachen? Oder vielleicht jetzt noch einmal wechseln und etwas Neues probieren, bevor es hierfür zu spät ist? Der Wunsch nach stärkerer Identifikation mit dem Beruf und einer sinnvollen Tätigkeit treten hier besonders in den Vordergrund und führen zu Unzufriedenheit, wenn diese elementar wichtigen Werte aktuell nicht erfüllt sind. Der Großteil meiner Klienten im Karriere-Coaching befindet sich in dieser Altersgruppe.

Ab 50 ist die Welt wieder in Ordnung – also fast.

In der Altersgruppe über 50 Jahren steigt die Job-Zufriedenheit wieder deutlich an (73%), insbesondere der absolut höchste Wert der sehr Zufriedenen (25%) ist auffällig. Doch auch hier besteht mit 14% ein relativ hoher Teil völliger Unzufriedenheit.

Als Erklärung dieses Ergebnisses sehe ich die folgenden drei Aspekte: Die insgesamt wieder höhere Zufriedenheit ist ein Indiz dafür, dass diese Berufstätigen die „Krise“ für sich gut bewältigt haben und einen Karriere-Weg gefunden haben, der zu ihnen passt und sie zufrieden stellt. Der vergleichbar mit der Gruppe der 40-49-Jährigen hohe Anteil der völlig Unzufriedenen deutet darauf hin, dass sie ausharren und sich mit der schlechten Job-Situation abgefunden haben. Auf der anderen Seite der über alle Altersgruppen maximale Anteil von 25% mit der höchsten Zufriedenheit. Sind dies die Karrieristen „aus alten Zeiten“ und heute auf gutem Posten, die ihre Schäfchen im Trockenen haben und höchst zufrieden auf ihre Karriere zurückblicken?

Männer zufriedener als Frauen

Der Blick auf die Geschlechter zeigt: Männer sind tendenziell etwas zufriedener mit ihrer beruflichen Entwicklung (76%) als Frauen (69%). Auch der Anteil der absolut Unzufriedenen ist bei den weiblichen Beschäftigten mit 11% etwas höher als bei den Männern mit 8%. Möglicherweise ein heute immer noch aus den traditionellen Geschlechter-Rollen resultierendes Bild, vielleicht antworten Frauen bei derartigen Umfragen jedoch auch selbstkritischer und ehrlicher als Männer.

Persönliche und fachliche Weiterentwicklung

Wie beurteilen Berufstätige ihre persönliche im Vergleich zur fachlichen Entwicklung der letzten drei Jahre? Das Ergebnis zeigt, dass die persönliche Weiterentwicklung mit 76% hoher und sehr hoher Zustimmung deutlich besser bewertet wird als die fachliche Entwicklung (60%). Dies, obwohl die Investitionen in Weiterbildung in den Unternehmen jährlich gestiegen sind. Dieses Ergebnis passt auch zu dem obersten Karriereziel „Neues lernen“ – aber dazu später mehr.

 

Frage 1: Wie beurteilen Sie ihre persönliche und Fachliche Entwicklung?

Abb. 2: Zufriedenheit mit fachlicher und persönlicher Entwicklung.

 

Auch bei dieser Frage zeigt sich ein Unterschied zwischen den Geschlechtern: In beiden Bereichen liegt die positive Wahrnehmung der weiblichen Befragten hinter denen der Männer.

Die Differenzierung nach dem Einkommensniveau: Je höher das Einkommen der Befragten, desto positiver fällt ihre Einschätzung der eigenen fachlichen Weiterentwicklung aus. Die Wahrnehmung der persönlichen Weiterentwicklung scheint auf Basis der Umfrageergebnisse unabhängig vom Einkommensniveau zu sein.

Für Arbeitgeber bedeutet dieses Ergebnis, noch stärker die fachliche Weiterentwicklung ihrer Mitarbeiter in den Blick zu nehmen, auch wenn diese bereits auf einem erfreulich hohen Niveau liegt. Aus meiner Sicht geht es hier in Zukunft viel mehr um individuell auf den Mitarbeiter zugeschnittene Lösungen als um von oben auferlegte Seminare, an denen Angestellte heute oftmals nur aus Zwang teilnehmen und Zeit absitzen. Auf der anderen Seite sollten auch Angestellte noch stärker aktiv kommunizieren, in welchen Feldern sie sich gerne fachlich weiterentwickeln möchten und was sie glauben, was ihrer Karriere-Entwicklung gut tut.

Berufliche Zielerreichung

Haben Sie erreicht, was Sie sich vorgenommen haben? Die Ergebnisse fallen ähnlich gut aus wie die allgemeine Zufriedenheit. 40% aller Teilnehmer sagen, dass sie ihre Ziele erreicht haben, 14% stimmten sogar voll zu. Zwischen den Geschlechtern sowie in den Altersgruppen zeigt sich ein analoges Bild zur allgemeinen Zufriedenheit. Die größte Unzufriedenheit über die Nichterreichung der beruflichen Ziele herrscht auch hier bei den 40-40-Jährigen.

 

Ergebnisse Studie Karrieretrends 2016: Zielerreichung im Beruf.

Abb. 3: Zielerreichung im Beruf.

Die wichtigsten Kariere-Ziele 2016

Neues lernen

Ganz oben bei den beruflichen Zielen steht Neues lernen / sich fachlich weiterentwickeln mit 75% hoher und sehr hoher Zustimmung.  Der Trend zum lebenslangen Lernen scheint in der Breite angekommen zu sein. Hinzu kommt sicherlich auch das Bewusstsein vieler Angestellter, sich im Beruf fit zu halten und so attraktiv für den Arbeitsmarkt zu bleiben. Der Wissenshunger könnte auch durch die seit einigen Jahren öffentliche Diskussion um den Wandel des Arbeitsmarktes – Stichwort Industrie 4.0 – zusätzlich angefeuert werden.

Mehr Geld verdienen

Auf Platz 2 rangiert „mehr Geld verdienen“ mit 62% hoher oder sehr hoher Zustimmung. Auch wenn ich in der Karriereberatung häufig höre, dass Geld nicht alles ist und meine Klienten dies in einer Phase der Neuorientierung als nachrangig wichtig für den nächsten Karriere-Schritt beurteilen, nimmt es doch für die persönlichen Ziele in der Breite der Bevölkerung einen hohen Stellenwert ein.


Lesen Sie hierzu: Geld ist unwichtig, solange das Gehalt stimmt.


Team-/Projektarbeit attraktiver als Führung

Ich wollte auch wissen: Ist es attraktiver, mehr im Team bzw. in Projekten zu arbeiten oder aber Führung zu übernehmen bzw. auszubauen? Das Ergebnis: Teamarbeit ist attraktiver als Führung. Für 17% der Teilnehmer kommt die Führungsrolle auch absolut nicht in Frage.

 

Ergebnisse Studie Karrieretrends: Karriere-Ziele 2016

Abb. 4: Karriere-Ziele 2016.

Hohe Wechselbereitschaft: Jeder Dritte auf dem Absprung

32% der Befragten gaben an, mit hoher Wahrscheinlichkeit den Arbeitgeber wechseln zu wollen, 24% der Teilnehmer scheinen dies sogar sehr konkret zu planen. 29% nehmen sich für dieses Jahr fest vor, in eine andere Position im aktuellen Unternehmen zu wechseln. Zufriedenheit mit der beruflichen Entwicklung scheint damit heute kein Grund mehr zu sein, sich an einen Arbeitgeber zu binden.

Die Wechselbereitschaft der Angestellten ist hoch. Dieses Ergebnis passt zu anderen Studien, die eine zunehmend mangelnde Identifikation mit dem eigenen Arbeitgeber attestieren. Gleichzeitig dürfte die hohe Wechselbereitschaft auch ein Ausdruck einer momentan guten Arbeitsmarktlage sein. Viele Angestellte erkennen in einem Jobwechsel mehr Chancen zur Weiterentwicklung als Risiken.


Sie sind auch auf dem Absprung? Meine Tipps für Ihr Anschreiben und den Lebenslauf.


Der Schritt in die Selbständigkeit

Für knapp die Hälfte der Befragten ist dies absolut keine Option in 2016. Doch auch 21% planen diesen Schritt mit hoher oder sehr hoher Wahrscheinlichkeit und werden ihrem aktuellen Arbeitgeber daher in den nächsten 12 Monaten die Kündigung aussprechen.

Mein Fazit

Die hohe Zufriedenheit mit der beruflichen Entwicklung sowie die Einschätzung der Befragten hinsichtlich ihrer Zielerreichung im Beruf haben mich überrascht, höre ich doch auch in meinem privaten Umfeld von vielen Angestellten, wie schrecklich das doch alles bei ihnen im Job ist. Ebenso die positive Einschätzung der persönlichen Weiterentwicklung. Dass die fachliche Entwicklung hier hinterherhinkt, stärkt den Wunsch der Angestellten, 2016 als Karriere-Ziel Neues lernen ganz oben auf ihre Agenda zu setzen.

Die hohe Wechselmotivation erscheint zunächst paradox in Kombination mit der positiven Zufriedenheit. Angestellte möchten jedoch in Zeiten guter Arbeitsmarktlage auch ihren Job optimieren und verbinden mit einem Jobwechsel in diesen Zeiten mehr Chancen als Risiken. Sie werden vor der Herausforderung stehen, sich bewusst zu machen, was sie in einer neuen Position und einem veränderten Umfeld benötigen, um nicht nur weiterhin zufrieden zu sein, sondern auch gesund und leistungsfähig zu bleiben.

Auf der anderen Seite wird für Unternehmen und Arbeitgeber das Thema Mitarbeiterbindung immer stärker an Bedeutung gewinnen. Was benötigen gut qualifizierte und motivierte Angestellte, um ihrem Arbeitgeber treu zu bleiben? Auch wenn das Geld auf Rang 2 der Karriere-Ziele rangiert, zählen bei der Mitarbeiterbindung aus meiner Sicht vielmehr ein gutes Arbeitsklima sowie eine zeitgemäße Einstellung und Haltung als Führungskraft, welche die Selbstverantwortung bei Mitarbeitern und in Teams stärkt, Herausforderungen bietet und Handlungsfreiräume gewährt, aber trotzdem Sicherheit und Orientierung gibt.


Studie Karrieretrends Teil 2: Was Angestellten im Job wirklich wichtig ist.

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Dr. Bernd Slaghuis

Ich arbeite als Karriereberater & Bewerbungscoach und habe mich auf Themen rund um die Karriereplanung und berufliche Neuorientierung spezialisiert. Seit 2011 habe ich über 2.000 Angestellte bei ihrem nächsten Schritt im Beruf sowie im Bewerbungsprozess begleitet - über alle Hierarchieebenen und Branchen hinweg - Online oder in meinem Kölner Büro. Meine Erfahrungen teile ich hier im Blog, in meiner SPIEGEL-Kolumne sowie als XING Insider und LinkedIn Top-Voice.

Dieser Beitrag hat 7 Kommentare
  1. Als zertifizierter Online Gesundheitscoach finde ich besonders den 1. Wunsch nach dem „Bewusstsein vieler Angestellter, sich im Beruf fit zu halten und so attraktiv für den Arbeitsmarkt zu bleiben“ bemerkenswert. Diesen Wunsch erfülle ich in dem Onlinekurs Rückentraining für zuhause 2.0, wo jeder Kursteilnehmer sich für den Arbeitsmarkt physisch und psychisch mit Hilfe seiner Krankenkasse fit machen kann.

  2. Der Wechsel in ein anderes Unternehmen tragen viele Menschen häufig mit sich, alleine wegen der Hoffnung das ihre Arbeit wesentlich stärker angesehen wird. Ich glaube das ein Wechsel letztendlich doch nicht stattfindet, weil der Arbeitnehmer jetzt weiß was er hat und nicht immer sicher ist, was er bei einem Wechsel bekommen wird, oder?

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