Selbstbestimmt arbeiten: Es muss nicht gleich die Selbständigkeit sein

Welcher Angestellte träumt nicht manchmal davon, völlig seibstbestimmt zu arbeiten und sein eigener Chef zu sein? Kein Druck mehr von oben, kein Gefühl mehr, unter ständiger Beobachtung zu stehen und alles richtig machen zu müssen. Keine als sinnlos empfundenen Tätigkeiten mehr ausführen müssen, die nicht den eigenen Werten oder Vorstellungen entsprechen. Keine Ungerechtigkeiten mehr. Eine Traumwelt? Für viele meiner Klienten, die heute angestellt arbeiten und sich nach einer neuen Orientierung im Beruf sehnen kommt der Schritt in die Selbständigkeit trotz aller vermeintlichen Vorzüge nicht in Frage. „Zu großes finanzielles Risiko und mir fehlt auch die Geschäftsidee“, höre ich oft. Das Haus, das noch viele Jahre abbezahlt werden muss, die Kinder, die gerade in die Schule gekommen sind und sicherlich an erster Stelle die Aufgabe des sicheren Gehalts sind Gründe, die für viele Menschen gegen diesen Schritt sprechen. Doch auch als Angestellter können sich viele Möglichkeiten für Sie eröffnen, selbstbestimmter zu arbeiten, als Sie es vielleicht heute tun.

Richten Sie sich Ihren Job ein.

Wer neu in ein Unternehmen kommt, muss sich erstmal in die Strukturen einfinden, die Kulturen und Menschen im Unternehmen kennenlernen und natürlich die mit der Stelle verbundenen Aufgaben übernehmen. Irgendwann kehrt dann die Routine ein und die Arbeit wird zur Gewohnheit. Die meisten Angestellten tun, was ihnen vorgegeben wird. Sie möchten ja schließlich ihrem Chef gefallen. Sehr oft höre ich meine Klienten über ihren Chef schimpfen, denn Chefs sind ja immer weit weg vom Tagesgeschehen und haben davon ja eh keine Ahnung: „Wenn die da oben wüssten …“ Und an dieser Stelle beginnt die Frust-Spirale. Sie fühlen sich nicht ausreichend wertgeschätzt für ihre Leistungen und würden – wenn sie selbst entscheiden könnten – vieles anders machen.

Machen Sie das! Richten Sie sich Ihren Job ein. Sie haben mehr Gestaltungsspielräume, als Sie vielleicht heute denken. Was bedeuten die Werte „Freiheit“ oder „Unabhängigkeit“ für Sie in Ihrem Berufsleben? Woran würden Sie erkennen, dass der Wert Freiheit erfüllt ist? Was können Sie selbst dazu beitragen? Freiheit kann Freiheit der Gedanken, Entscheidungen und im Handeln bedeuten – vielleicht in gewissen Grenzen, denn es ist natürlich klar, dass Sie als Angestellter nie so unabhängig entscheiden können wie ein Selbständiger.

5 Tipps, wie Sie sich Ihren Job einrichten können:

  • Stelle Sie sich vor, Sie sind für einen Tag Chef des Unternehmens. Welche Dinge würden Sie als erstes verändern? Was davon ist realistisch? Überlegen Sie sich, ob es eine Chance gibt, dass Sie etwas zu dieser Veränderung beitragen können. Wer kann Sie dabei unterstützen?
  • Hinterfragen Sie alle Automatismen bei Ihrer Arbeit. Ist das alles sinnvoll, was Sie tun oder möchten Sie etwas daran verändern? Besprechen Sie die Veränderung mit Kollegen und Ihrem Chef, mehr als ein „NEIN“ kann nicht passieren. Viele Unternehmen freuen sich über Verbesserungsvorschläge von Mitarbeitern.
  • Schauen Sie sich an Ihrem Arbeitsplatz um. Fühlen Sie sich dort wohl? Was können Sie selbst daran verändern oder im Unternehmen vorschlagen, damit er Ihren Wünschen und Vorstellungen stärker entspricht?
  • Was stört Sie an Ihren Kollegen? Frau Müller, die am Schreibtisch stundenlang gegenüber laut privat telefoniert oder Herr Meier, der ab mittwochs immer nach Schweiß stinkt? Sie haben es in der Hand, ob Sie das ansprechen und damit vielleicht etwas an Ihrer Situation ändern.
  • Machen Sie eine Liste mit Dingen, die Ihnen im Job Freude bereiten. Denken Sie  auch an frühere Jobs, was Ihnen damals besonders Freude gemacht hat. Was können Sie tun, um diese Dinge in Ihrem jetzigen Job wiederzubeleben?

Vielleicht erscheinen Ihnen diese Punkte als unrealistisch, denn was können Sie als kleiner Angestellter schon verändern? Und außerdem wollen Sie ja auch nicht als Egoist bei den Kollegen dastehen, wenn Sie sich Ihren Job so einrichten, wie es für Sie passt. Und überhaupt – darf Arbeit denn auch Freude machen? Dafür wird man ja schließlich auch bezahlt.

Übernehmen Sie Selbstverantwortung und verlassen Sie Ihre Komfortzone.

Ja, Arbeit darf Freude machen! Und das Schöne ist, dass Sie es selbst in der Hand haben. Selbstbestimmt arbeiten hat sehr viel mit Selbstverantwortung für das eigene Leben zu tun. Wie Sie an den 5 Tipps sehen können, erfolgt jede Veränderung durch Sie selbst. Hören Sie auf damit, sich zurückzulehnen und über die Kollegen und Chefs zu jammern, die Ihnen das Leben so schwer machen. Wenn Sie mit etwas unzufrieden sind, dann ändern Sie etwas.

Jede Veränderung ist für uns mit Unsicherheit und Ungewissheit verbunden. Jeder noch so kleine Schritt aus der gewohnten und lieb gewonnenen Komfortzone heraus erzeugt ein komisches Gefühl. Wir haben Angst, damit zu scheitern, nicht wieder in die sichere Umgebung zurück zu können und bei den Kollegen als Verlierer dazustehen. Wann haben Sie zuletzt eine Entscheidung getroffen, die Sie heute noch bereuen? Die meisten meiner Klienten können mir auf diese Frage keine Antwort geben. Und wenn, dann haben sie mit etwas Abstand erkannt, dass es gerade diese Entscheidungen waren, die sie im Leben weitergebracht haben. Ist es wirklich attraktiver, einen gewohnten, aber unliebsamen Zustand auszuhalten als etwas Neues auszuprobieren und damit den eigenen Horizont zu erweitern?

Selbstbestimmt arbeiten kann auch Kürzertreten bedeuten.

Sie sind Führungskraft geworden, haben aber keine Freude daran, ein Team zu führen und möchten viel lieber alleine an Sachthemen arbeiten? Sie arbeiten 10 Stunden am Tag, verdienen viel Geld, möchten aber lieber mehr Zeit mit Ihrer Familie verbringen und wären sogar bereit, auf einen Teil Ihres Gehalts dafür zu verzichten? Auch wenn hierzulande das bewusste Kürzertreten im Beruf – auch als Downshifting bezeichnet – sowohl von Unternehmen als auch von Angestellten noch als gesellschaftlich problematisch gesehen wird, zeigt sich in den letzten Jahren hier ein zunehmender Trend. In den USA und einigen skandinavischen Ländern ist das ganz normal. Es geht beim Downshifting nicht immer darum, weniger zu arbeiten. Vielmehr kann Downshifting als freiwillige Entscheidung definiert werden, um eine bessere Balance zwischen Privat- und Berufsleben zu erreichen, mehr Erfüllung im Beruf und im Leben zu erfahren oder Erkrankungen durch zu hohe berufliche Belastungen vorzubeugen. Die Möglichkeiten sind vielfältig und reichen von einer bewusst veränderten eigenen Einstellung zur Arbeit über Teilzeitarbeit, die Ablehnung einer Beförderung bis hin zur Kündigung, dem Wechsel des Unternehmens und Aufnahme eines anderen, den eigenen Wertevorstellungen und Zielen stärker entsprechenden Berufs.

Haben Sie Lust, etwas in Ihrem Job zu verändern?

  1. Überlegen Sie sich morgens auf dem Weg zur Arbeit, welchen Schritt zur Veränderung Sie heute gehen möchten und stellen Sie sich in Ihren Gedanken vor, dass Sie ihn zum Feierabend gegangen sind. Wie geht es Ihnen damit?
  2. Wenn das Ergebnis aus Schritt 1 für Sie attraktiv ist, dann probieren Sie es aus. Vielleicht kann Sie dabei auch jemand unterstützen. Sagen Sie Ihren inneren Zweiflern, dass Sie sie gerade nicht brauchen und nehmen Sie bewusst wahr, wie sich dieser Schritt aus Ihrer Komfortzone heraus anfühlt.
  3. Lenken Sie Ihre Aufmerksamkeit darauf, was sich verändert. Wie reagiert Ihr Umfeld? Wie geht es Ihnen? Sind Sie mit diesem Schritt Ihrem Ziel etwas näher gekommen? Wenn nicht, dann verändern Sie wieder etwas (Schritt 1).

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Dr. Bernd Slaghuis

Ich arbeite als Karriereberater & Bewerbungscoach und habe mich auf Themen rund um die Karriereplanung und berufliche Neuorientierung spezialisiert. Seit 2011 habe ich über 2.000 Angestellte bei ihrem nächsten Schritt im Beruf sowie im Bewerbungsprozess begleitet - über alle Hierarchieebenen und Branchen hinweg - Online oder in meinem Kölner Büro. Meine Erfahrungen teile ich hier im Blog, in meiner SPIEGEL-Kolumne sowie als XING Insider und LinkedIn Top-Voice.

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