Rock Your Idea! Wie auch Sie zum Ideen-Rocker werden

Deutschland – Land der Ideen. Wirklich? Wie fit sind wir tatsächlich in Sachen Kreativität und Innovation? Und lässt sich Ideenfitness trainieren? Dies und mehr habe ich Martin Gaedt gefragt, Autor des frisch erschienenen Buchs „Rock Your Idea – Mit Ideen die Welt verändern“. Im Interview erklärt er das A und O der Ideenfitness, wie Sie die Zutaten für neue Ideen auswählen und richtig mixen, warum es so wichtig ist, viele außergewöhnliche Fragen zu stellen und warum Sie über Menschen lachen sollten, die „Geht nicht!“ sagen. Werden auch Sie zum Ideen-Rocker! 

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Martin Gaedt ist Provotainer, Unternehmer und Ideen-Rocker. Er hat zahlreiche Start-ups gegründet, Produktideen in die Welt gesetzt und seinen inneren Antrieb und seine Kreativität nie verloren – auch wenn nicht immer alles glatt lief. Vor zwei Jahren hat sein erstes Buch „Mythos Fachkräftemangel“ bereits für Aufsehen gesorgt. Seine Vorträge sind eine Mischung aus Provokation und Entertainment.

Lieber Martin, Dein neues Buch „Rock Your Idea – Mit Ideen die Welt verändern“ ist gerade erschienen. Warum ist es Dir so wichtig, dass wir stärker unsere Ideen rocken?

Ideen sind ein großer Schatz. Ideen bringen uns voran. Gleichzeitig sind Ideen alltäglich. Essen, Konzepte, Konzerte, Werkzeuge, E-Mails, Fotos, alles Ideen. Mir geht es um Ideenfitness, die man trainieren kann wie Joggen und Schwimmen. Nicht jeder wird Europameister, aber alle werden mit Training besser. Wir können unser Umfeld, die Arbeit, unsere Stadt und die Welt gestalten. Doch nur wenige Menschen trainieren bewusst ihre Ideen- und Gestaltungsfitness. Wer geht ins Ideen-Fitness-Studio?

Ideenfitness hat nichts mit kurzen Workshops und Seminaren zu tun. Es geht um regelmäßige Übung, die zu einer inneren Haltung wird. Zu dieser Haltung gehört auch das Wissen um zwei Pole im gesamten Entwicklungsprozess. Chaos und Struktur, Analyse und Spinnen: InnOvAtion. Offenheit und Auswahl. A & O. Es ist ein Miteinander und Zusammenspiel. Die Unterschiedlichkeit bringt Spannung und Energie. Es ist ein permanenter Prozess, ein schwingendes Pendel vom A zum O zum A zum O. Das bringt die Idee in Schwung. Diese Energie kann die Welt verändern!

ALLES, was wir heute selbstverständlich nutzen, waren mal Ideen, die mutige Menschen gegen alle Widerstände durchgeboxt haben. Das Bestehende ist die größte Bremse des Neuen. Unsere Sinne gaukeln uns vor, es gäbe bereits alles, und alles stünde fest. Dabei geht ALLES anders. Probieren Sie einfach mal was Neues aus, sammeln Sie Erfahrungen und entscheiden Sie dann, ob das Neue oder das Alte besser ist.

Du sagst, Ideen zu rocken ist mehr als eine Methode. Verrätst Du uns das Geheimnis genialer Ideen?

Das ‚Geheimnis‘ ist die Auswahl und das Mixen der Zutaten gepaart mit Anpacken und Machen. Geniale Ideen sind immer eine Kombination aus scheinbar unpassenden Elementen und dem Willen, es zu tun. „Niemand wird Fremde bei sich wohnen lassen“, bekamen die Gründer von Airbnb zu hören. 25 bis 30 Millionen private Übernachtungen wurden 2015 – sieben Jahre nach der Gründung – über Airbnb vermittelt. Hätten Sie durchgehalten? Und scheinbar ‚plötzlich‘ ist Übernachtung bei Fremden ein neuer Standard. Scheinbar absurde Idee plus sture Umsetzung mit Durchhaltevermögen.

Gewinnt eine Idee Nutzer und Fans, dann wächst sie. Das Neue braucht Menschen, die lachend Grenzen überschreiten. Das ist eine innere Haltung, Risiko einzugehen, Neues auszuprobieren und scheitern zu können.

Immer wieder tauchen in Deinem Buch die „44 Fragen“ auf. Warum sind Fragen so wichtig für gute Ideen?

Wir sind eine Gesellschaft der Besserwisser. Wir wissen auf alles eine Antwort. Wo lernen wir, gekonnt, professionell Fragen zu stellen? Wer übt, das Bestehende in Frage zu stellen? Eher wird gemeckert und gejammert. Aber was bringt das? Wer übt, konstruktive, unsinnige und absurde Fragen zu stellen? Warum absurd? Weil nur das Absurde über Grenzen führt. Alles geht anders, wenn Bestehendes mutig hinterfragt wird. Sind Sie für Stillstand, dann stellen Sie einfach keine Fragen. Ohne Fragen erstarren Menschen in ihrer eingeschränkten Weltsicht und Meinung. Alles passt zusammen. Nichts stört.

Erscheint Ihnen das zu langweilig? Dann werden Sie Fragen-Aktivistin und Fragen-Aktivist! Wieso? Weshalb? Warum? Was wäre, wenn…? Wer an jeder roten Ampel 44 Fragen stellt, rast 440 Mal ins Unbekannte – pro Tag! 440 Fragen pro Tag bringen über eine Million Fragen in sieben Jahren. Hinzu kommen Fragen beim Warten an der Kasse sowie auf Bus und Bahn. Fragen führen weiter und stoßen ein Ideen-Kraftwerk an. Keine Idee kommt einfach so aus dem Nichts. Deshalb ist die Qualität der Fragen entscheidend. Wer kann professionell grenzenlos fragen und spinnen? Wer kann gekonnt alle Konventionen vergessen? Wenn die Fragen langweilig sind, wie sollen dabei krasse Ideen entstehen? Kreativität und Innovation beginnen mit außergewöhnlichen Fragen, die ins Dunkle des Unbekannten und Neuen führen.

Und was sind Beispiele für außergewöhnliche Fragen?

Hier sind 13 Fragen aus „Rock Your Idea“,  die capital.de ausgewählt hat:

  • Ist Wandel oder Stillstand normal?
  • Was wäre, wenn jeder europäische Schüler ein Jahr in einem anderen Land Europas leben würde?
  • Wie entsteht Mut?
  • Wieso haben E-Books eine AGB und analoge Bücher nicht?
  • Gibt es Genies? Und wenn ja, wie viele?
  • Was wäre, wenn sich Studenten kein Fach, sondern eine Mission auswählen würden?
  • Macht Harmonie dumm?
  • Ist das Neue die Ausnahme oder Neues normal?
  • Betrügt uns unser Gehirn?
  • Wenn Sie schlechte Erinnerungen löschen könnten, würden Sie dies tun?
  • Gehen Sie über die Brücke aus 3-D-Druck?
  • Macht Technologie den Erfolg aus oder Strategie?
  • Könnten Autoren pro gelesener Seite bezahlt werden?

Ich kenne Menschen, die nicht gerade vor Ideen sprudeln, Veränderung meiden und so ein glückliches Leben führen. Verpassen sie etwas und sollten auch sie Dein Buch lesen?

Meine 120 Geschichten präsentieren Ideen und Wandel anschaulich und unterhaltsam. Menschen, die nicht vor Ideen sprudeln, aber Lust haben, mehr darüber zu erfahren, werden das Buch auch mit Gewinn lesen. Ich bin davon überzeugt, dass jeder Mensch Ideen hat. Die wenigsten Ideen revolutionieren die Welt. Berufswahl, ein Blumenbeet, Musik, Sport und andere Hobbys sind genauso Ideen wie grüne Oasen in Wolkenkratzern und die Übernachtung in Privatwohnungen – weltweit.

Die Dimension der Idee liegt an den eigenen Zielen und der Ideenfitness. Ich sage niemals, es geht nur so und so. Der Weg ist so individuell wie die Menschen. Ich erzähle, berichte, frage und stelle mich der Diskussion. Heute besuchte mich ein 17-jähriger Leser zum Austausch. Das Buch ist für Menschen allen Alters mit und ohne Vorkenntnisse. Ich möchte inspirieren und Ideen wecken.

Viele Arbeitgeber prämieren Ideen und Verbesserungsvorschläge ihrer Mitarbeiter. Sieht so Innovationsmanagement heute aus oder was rätst Du Unternehmen, wie sie Ideen fördern?

Prämien sind fair, besonders wenn Unternehmen durch Ideen der Mitarbeiter Einsparungen und Gewinne erzielen. Ideen-Programme sind gut, wenn die Organisation das lebt. Eine Software ändert gar nichts. Eine Box, in der Ideen verschwinden ohne Rückmeldung, was damit passiert, erhöht den Frust, nicht die Motivation. Vorrangig geht es also um Beachtung und Wertschätzung. Lebt ein Unternehmen eine Ideen-Kultur? Trauen sich Mitarbeiter wirklich, Ideen zu äußern? Oder übertüncht das Programm nur die Geht-Nicht-Unkultur. Dann nützen auch Prämien nichts. Menschen wollen ernst genommen werden.

Buurtzorg in den Niederlanden ist ein Unternehmen mit 8.000 Mitarbeitern in der Pflege kranker Menschen – ganz ohne Management. Alle Mitarbeiter teilen ihre Zeit selbst ein. Patienten werden schneller gesund. Die Kosten sind bereits um 35 Prozent gesunken. Ein Teil des Gewinns wird regelmäßig in Innovationen investiert. 8.000 zufriedene Mitarbeiter bewirken eine messbar schnellere Genesung der Patienten. Aber, Hand aufs Herz, wer ist bereit, das Management zu streichen? Diakonie und Caritas betreiben in Deutschland 54.341 Einrichtungen mit 1.055.229 Mitarbeitern. Was wäre, wenn die Prozess-Innovation ‚ohne Management‘ auf die gesamte Wohlfahrtsbranche übertragen werden würde? Geht nicht. Wie radikal darf Veränderung sein?

Vor elf Jahren hat die Regierung die Initiative „Deutschland – Land der Ideen“ ins Leben gerufen. Sind wir heute das Land der Ideen?

Mit den regionalen Talentpools ‚cleverheads‘ war ich 2012 mit meinem Unternehmen Younect ein Preisträger „Land der Ideen“. Das hat uns einen enormen Schub gegeben. Diese Initiative finde ich sehr gut. Aber selbst Tausende Preisträger verändern noch keine Ideen-Kultur der über 80 Millionen Deutschen. Von weltweit fast 3.000 Patenten zum autonomen Fahren stammen 58 Prozent aus deutschen Unternehmen. Das ist beeindruckend. Gleichzeitig wird in Indien ein Flughafen komplett mit Solarenergie betrieben. In China werden ganze Städte neu gebaut und mit Solarenergie versorgt. Der Hyperloop soll in Kalifornien und zwischen Finnland und Schweden gebaut werden.

Viele Ideen sind nicht „Made in Germany“. Eine satte, zufriedene Gesellschaft läuft Gefahr, nicht mehr hungrig genug zu sein, um ein Klima der Ideen-Begeisterung und Investitionsfreude zu fördern. Gleichzeitig ist ‚Jugend forscht‘ eine sprudelnde Quelle ideenfitten Nachwuchses. Die Civil Academy hat über 500 Stipendiaten unterstützt, gemeinnützige Projekte umzusetzen. Heute sind siebenmal mehr Vereine, Genossenschaften und Stiftungen aktiv als vor 50 Jahren.

Dennoch, fragenfit trainiert erlebe ich nur wenige Menschen. Das Festhalten am Bestehenden ist Standard. Um in der Breite der Gesellschaft ein Land der Ideen zu werden, sollte Ideenfitness ein Breitensport werden wie Joggen und Fußball.

Don’t criticize, improve! lautet eine Überschrift im Buch. Dem entgegen steht eine ausgeprägte Ja, aber-Denke und Null-Fehler-Kultur. Was muss sich kulturell und in unseren Köpfen ändern?

Wer etwas wirklich Neues ausspricht, bekommt schonungslos harte Kritik. Besserwisserisch wird sofort gesagt, was nicht geht. Das ist unseriös und tötet Ideen im Keim. Mit Don`t criticize, improve meine ich nicht, dass Ideenfindung harmonisch ist. Professor Peter Kruse sagte treffend: „Harmonische Systeme sind dumme Systeme. Erhöhen Sie die Spannung im System.“ Spannung? JA! Herausforderung? JA! Widerspruch? JA! Das sind wichtige Zutaten auf dem Weg zur Idee.

Gleichzeitig müssen neugeborene Ideen zuerst geliebt und wertgeschätzt werden statt sie destruktiv zu kritisieren und tot zu schlagen. JEDE Idee geht besser, reicher, runder, nützlicher, wirksamer. Verfeinern Sie Ideen, schleifen, feilen und veredeln Sie sie mit Wertschätzung! Alle Energie fließt dann produktiv ins Fragen, Vertiefen und Improven. Assoziationen, verschiedene Blickwinkel und – Achtung – auch konstruktive, lebensbejahende Kritik. Das alles hilft gegen voreilige, destruktive Kritik.

Die Stärken der Idee stehen im Fokus und werden angereichert. Die Idee wächst und wird schöner, stärker, selbstbewusster und verständlicher. Wer erlebt hat, wie eine Idee besser, reifer, wacher, lebendiger und anschaulicher wird, der weiß, wie dieser magische Moment Euphorie auslöst. Menschen fangen Feuer für das neue Geschöpf. GEHT NICHT verliert seinen Reiz. Die Idee bekommt Raum zum Atmen und zur Entfaltung des Potenzials.

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Lassen Sie sich nie wieder Zeit und Mut stehlen von Menschen, die GEHT NICHT sagen. Lachen Sie darüber. Machen Sie charmante Witze. Bringen Sie Kritiker zum Lachen. Möglicherweise stellen Sie später selbst fest, dass Ihre Idee nicht die beste Idee war. Aber geben Sie Ihre Idee nie auf, nur weil jemand GEHT NICHT sagt. ALLES war mal eine Idee, die kritisiert wurde und keiner für möglich hielt. ES GEHT! Wir können die Welt gestalten!

Du hast selbst in den letzten Jahren viele Deiner Ideen umgesetzt und bist dabei auch schmerzhaft an Grenzen gestoßen. Was empfiehlst Du Menschen, die sich jetzt gerade die Frage stellen, ob sie an ihre Idee glauben, mehr Zeit und Geld investieren und vielleicht sogar hierfür ihren heutigen Job aufgeben sollen?

Die wenigsten Ideen werden sich durchsetzen. Das ist schmerzhaft und gehört dazu. Das passiert auch erfahrenen Ideen-Rockern. Die wenigsten Blüten am Apfelbaum bringen reife, saftige Äpfel. Der Prozess von der Knospe bis zur Ernte besteht aus so vielen Variablen, Sonne, Regen, Wind und Unwetter, so dass auch Profi-Gärtner staunend davor stehen. Ideen-Profis verstehen den Prozess des Reifens von Ideen, gleichzeitig werden sie im Prozess immer überrascht. Ohne Überraschungen wäre die Idee nicht neu. Neu = unbekannt. Unbekannt = unsicher. Risiko bleibt Risiko. Jede Situation ist anders, von allgemeingültigen Erfolgssätzen halte ich nichts.

Ich gebe keinen pauschalen Rat, dies oder das zu tun. Ich hatte immer Menschen, die meine Ideen unterstützt haben. Mentoren haben mir sehr geholfen. Selbständigkeit ist nicht das Maß aller Dinge. Es muss zu einem selbst passen. Man kann Ideen auch in einer Festanstellung umsetzen zum Beispiel zur Verbesserung des Betriebsklimas, der Kundenzufriedenheit und der Produktionsabläufe. Zehn Prozent der Deutschen engagieren sich mit Ideen, Zeit und Kraft zur Integration von Menschen, die aus Kriegsgebieten zu uns geflohen sind. Bewundernswert.

Einen Rat gebe ich doch: Stellen Sie 44 Fragen täglich, also 1.320 Fragen im Monat zu Ihrer Idee, dem Investment oder möglichen Jobwechsel. Schauen Sie Ideen weit, tief, himmelhochjauchzend und skeptisch an. Das bringt Ihnen Klarheit, ob die Veränderung zu Ihnen passt.

Nochwas ..?

Mein Feuer für Neues möchte ich teilen. Seit 1997 begeistert mich gezielte Ideen-Entwicklung. Ich erzähle von eigenen und fremden Ideen – alle verbunden in einem Parcours mit Rotem Faden. Ich provoziere, denn Innovation ist Regelbruch und lebt vom Widerspruch gepaart mit Humor, Neugier, Überraschung und Risiko. Nur wer etwas versucht, das vorher keiner geschafft hat, schafft Neues. Innovation ist das, was scheinbar nicht geht. Bis es einer macht. Mega spannend.

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„Rock Your Idea“ ist im Murmann-Verlag erschienen.

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Dr. Bernd Slaghuis

Ich arbeite als Karriereberater & Bewerbungscoach und habe mich auf Themen rund um die Karriereplanung und berufliche Neuorientierung spezialisiert. Seit 2011 habe ich über 2.000 Angestellte bei ihrem nächsten Schritt im Beruf sowie im Bewerbungsprozess begleitet - über alle Hierarchieebenen und Branchen hinweg - Online oder in meinem Kölner Büro. Meine Erfahrungen teile ich hier im Blog, in meiner SPIEGEL-Kolumne sowie als XING Insider und LinkedIn Top-Voice.

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