Die Lücke im Lebenslauf: Fauxpas oder Chance?

Ich werde sehr häufig bei Karriere-Coachings gefragt,  wie man als Bewerber mit Lücken im Lebenslauf umgehen sollte. Wie detailliert sollte diese Lücke im Anschreiben und im Lebenslauf erläutert werden und wie sollte man sich im Bewerbungsgespräch hierzu erklären? Verheimlichen? Ausweichen? Schönreden? Zunächst versuche ich immer herauszufinden, was hinter der vermeintlichen Lücke im Lebenslauf steckt, denn er oder sie wird nicht nichts getan haben. Ich möchte Ihnen von zwei Beispielen berichten, beide Personen haben mir ihr Einverständnis gegeben, hier darüber zu schreiben. Vor einiger Zeit erklärte mir ein Mann, etwa Anfang 50, dass er das letzte Jahr aufgrund eines Burnouts krankgeschrieben war und nun wieder in die Berufstätigkeit einsteigen wolle, aber nicht wisse, wie diese Auszeit bei Bewerbungen ankommt. Ein anderes Beispiel einer noch sehr jungen Klientin – sie ist etwa Mitte 20  – sie hatte mit einem Studium begonnen, es dann aber unterbrochen und zwei Jahre ihren schwer kranken Vater gepflegt und möchte nun eine Ausbildung beginnen.

Beide Personen fragten mich, wie sie mit diesen Zeiten im Lebenslauf umgehen sollten, schließlich sind sie in dieser Zeit nicht einem „geregelten“ Berufsleben nachgegangen. Die Folge: Angst vor kritischen Fragen zur „Lücke“ von Personalern im Vorstellungsgespräch. Diese Sichtweise, geprägt von Angst und Unsicherheit ist sehr häufig bei Menschen vorherrschend, die nach einem Lebenseinschnitt – freiwillig oder unfreiwillig – wieder in ein aus ihrer Perspektive normales Leben zurückfinden möchten.

In beiden Fällen habe ich gefragt, ob diese Zeit (also die Lücke) auch eine positive Seite haben könnte.  Nach einem kurzen, erstaunten Blick als Reaktion auf diese zunächst absurd anmutende Frage sprudelte es aus beiden heraus: Der Herr mit dem überwundenen Burnout erzählte mir, dass er in dieser Zeit der Krankschreibung wieder gelernt habe, auf sich Acht zu geben und er diese Phase intensiv dazu genutzt habe zu überlegen, was ihm in seinem Leben wirklich wichtig ist. Und dabei strahlte er mich an und erklärte mir, dass er jetzt wieder voller Lebensenergie stecke und sich auf neue Aufgaben freue.

Auch die junge Frau, die ihren Vater gepflegt hatte erzählte mir, dass sie so sehr früh schon gelernt habe, was es bedeutet Verantwortung zu übernehmen. Sie möchte diese Zeit heute nicht mehr missen und blickt auf Erfahrungen zurück, die andere in ihrem Alter und auch später vielleicht niemals machen werden.

Beide Beispiele zeigen exemplarisch, dass wir eine aus unserer Sicht negative Erfahrung ganz oft auch positiv sehen können. Beim sogenannten Reframing wird im Coaching die Bedeutung eines Ereignisses zum Positiven verändert, indem das Ereignis in einen anderen Rahmen, also einen anderen Kontext gesetzt wird. Es ist wie mit dem Glas Wasser – halb leer oder halb voll. Viele Menschen sehen das Glas halb leer aus der für sie gewohnten Perspektive auf Ihre Vergangenheit, die sie oft vordergründig als nicht befriedigend empfunden haben oder mit der sie vielleicht schlechte Erfahrungen oder Erinnerungen verbinden.

Die Lücken im Lebenslauf eines Menschen – was auch immer während dieser Zeit geschehen ist – gehören zu diesem einzigartigen Leben dazu. Sie zu verheimlichen oder Angst vor der Frage der Erklärung in Bewerbungsgesprächen zu haben muss nicht sein. Denken Sie an die positiven Eigenschaften oder Erfahrungen, die Sie aus dieser Zeit gewonnen haben und berichten Sie hierüber. Und sollten Sie Ihrer Lücke so gar nichts Positives abgewinnen können, ist auch dies in Ordnung.

Stehen Sie zu Ihrem Leben, dessen Chef Sie sind. Das macht Sie sympathisch und authentisch.

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Dr. Bernd Slaghuis

Ich arbeite als Karriereberater & Bewerbungscoach und habe mich auf Themen rund um die Karriereplanung und berufliche Neuorientierung spezialisiert. Seit 2011 habe ich über 2.000 Angestellte bei ihrem nächsten Schritt im Beruf sowie im Bewerbungsprozess begleitet - über alle Hierarchieebenen und Branchen hinweg - Online oder in meinem Kölner Büro. Meine Erfahrungen teile ich hier im Blog, in meiner SPIEGEL-Kolumne sowie als XING Insider und LinkedIn Top-Voice.

Dieser Beitrag hat 2 Kommentare
  1. Danke für schöne Beispiele! Ich glaube, die Angst vor solchen Fragen hat mit dem Zweifel zu tun, ob man wirklich diese Pause machen sollte. Manche Leute nehmen eine Pause als eine Schwäche wahr. Wir haben aber nur eine Gesundheit und ein Leben. Manchmal lohnt sich so eine Pause zu machen, um kurz überlegen zu können, ob man das macht, was man wirklich braucht…

  2. Vielen Dank für diesen stärkenden Artikel, damit kämpfe ich schon länger.

    Ich habe eine „relativ“ große Lücke von zweieinhalb Jahren in meinem Lebenslauf (wobei ich noch immer nicht weiß, wie ich diese auf dem Blatt darstellen soll, habe auch schon etliche Coachs diesbezüglich befragt und bin trotzdem nicht glücklich mit dem derzeitigen Stand).

    Ich habe zuerst ein Jahr mehr oder weniger blau gemacht (bin auch meinem laaangweiligen Hobby lesen nachgegangen, dass einmal im Lebenslauf angeführt werden soll, ein anderes Mal nicht oder nur, wenn es zur Stelle passt).

    Danach lange überlegt, was weiter mit mir passieren soll.
    Einige „offizielle“ Kurse mit Zertifikat absolviert, manche im Selbststudium (ohne Nachweis – so, und wie beweise ich das jetzt?), manches hat sich nicht wirklich im Langzeitgedächtnis festgesetzt.

    Dabei auch viele Bewerbungsschreiben verfasst (bei drei verschiedenen Sparten, wo ich mir vorstellen kann, in Zukunft zu arbeiten, weil ich mich vielseitig interessiere).

    Und vor kurzem nach viermonatiger Tätigkeit gekündigt, also wieder „arbeitssuchend“ (selbst das Wort arbeitslos ist verpönt, obwohl dieses Wort eigentlich erwerbsarbeitslos heißen müsste, denn Hausarbeit habe ich ja trotzdem erledigt).

    Andererseits, das war es! Es ist passiert, ich kann die Vergangenheit nicht mehr ändern.
    Also, wofür rechtfertigen, und vor allem, bei wem?

    Noch dazu, weil ich eine dieser „Überqualifizerten“ bin, die partout nicht mehr in die Technik will, trotz DI, und mich auch noch fragen lassen darf, warum ich das denn tue (wenn es sich für mich richtig anfühlt).

    Ist es mein Leben oder nicht? Lebst du es für mich, der mir den guten Ratschlag gibt, geh doch wieder zu S……….., bleib doch in deinem Beruf, hast du nicht da und da gefragt?

    Schöne Grüße von einer nun etwas weniger gefrusteten
    Bettina

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