Lebenslauf Lücken: Schluss mit dem Versteckspiel

Sie waren mehrere Monate krank? Sie haben den letzten Job während der Probezeit gekündigt? Sie haben sich eine Auszeit gegönnt und das Leben genossen? Tipps, wie Sie solche angeblichen Schwächen und Lebenslauf Lücken vertuschen, gibt es reichlich. Im gleichen Atemzug fordern wir Augenhöhe im Bewerbungsgespräch und echtes Interesse am Menschen. Geheimniskrämerei und Versteckspiel sind hier fehl am Platz. Warum Sie sich als Bewerber für nichts in Ihrem Lebenslauf schämen müssen und warum wir damit aufhören sollten, das Leben von Menschen in Schablonen aus gut oder schlecht zu pressen. Mein Impuls für mehr Offenheit und Ehrlichkeit zwischen Bewerbern und Recruitern. 

Regelmäßig lese ich in Bewerbungstipps, was Jobwechsler in ihren Lebensläufen unbedingt verschweigen, vertuschen oder manipulieren sollten, damit sie bei Arbeitgebern punkten:

Krankheiten, die dazu geführt haben, eine Beschäftigung aufzugeben oder sich neu zu orientieren. Die Pflege von Angehörigen, die oftmals gleich eine Lücke von mehreren Jahren in den Lebenslauf gerissen hat. Die Kündigung einer Stelle in der Probezeit und anschließender neuer Suche. Oder den dreimonatigen Traumurlaub als verdiente Auszeit zwischen zwei Arbeitgebern.

Ist das alles verboten oder macht es aus meinem Menschen einen schlechten Arbeitnehmer? Oder ist dies alles Privatsache und es hat daher in Ihrem beruflichen Lebenslauf nichts zu suchen?

„Ich schäme mich für meine Lücken im Lebenslauf“

Ja, ich erlebe oft Bewerber, die sich für ihren Lebenslauf schämen. Weil sie glauben, das Falsche studiert oder gelernt zu haben, wovon man (wer ist eigentlich man?) heute sagt, es sei im Berufsleben nicht zu gebrauchen. Neulich las ich irgendwo einen Artikel über die Nutzlosigkeit von Ökonomen. Na prima, vielen Dank auch!

Bewerber schämen sich, weil sie gelesen haben, ein Lebenslauf müsse einen roten Faden zeigen, um den Ansprüchen von Arbeitgebern an den perfekten Mitarbeiter zu genügen. Sie fühlen sich schlecht, weil sie in den letzten Jahren zu häufig gewechselt haben und damit kein Durchhaltevermögen und keine Ausdauer beweisen. Oder weil sie zu selten gewechselt haben und damit keine Veränderungsbereitschaft und keine Flexibilität beweisen. Sie kommen sich minderwertig vor, weil sie es mit 35 Jahren und Studium noch nicht zur Führungskraft geschafft haben. Sie kommen sich nutzlos vor, weil ihnen mit 51 betriebsbedingt gekündigt wurde und sie sich sicher sind, im Arbeitsmarkt nicht mehr gebraucht zu werden.

Woher kommt diese Scham beim Blick auf den eigenen Lebenslauf? Wer definiert, was ein guter oder ein schlechter Lebenslauf ist? Wer hat das Recht, darüber zu urteilen, wie gut oder schlecht das Leben eines anderen Menschen bisher war?

Ich unterhalte mich hier in Köln ab und zu mit zwei Obdachlosen, die schon seit Jahren auf der Straße leben. Für sie ist es eine bewusste Entscheidung, so zu leben. Sie sagen mir, dass sie zufrieden sind und nicht mehr anders leben möchten. Ich glaube es ihnen und bin nicht nur beeindruckt, wie reflektiert sie selbst auf ihr eigenes Leben blicken, sondern auch, wie wertschätzend die beiden miteinander sowie im Kontakt mit anderen Menschen umgehen.

Versteckspiel ist keine Augenhöhe!

Wir fordern mehr Wertschätzung und Augenhöhe im Bewerbungsprozess. Wie verlangen von Arbeitgebern und ihren Personalentscheidern, Bewerber nicht zu diskriminieren. Wir sprechen von Mosaikkarrieren, Chancen für Quereinsteiger und jammern über einen Fachkräftemangel. Wir geben der Arbeitswelt einen neuen Anstrich: Digitalisierung, New Work, Arbeit 4.0.

Doch Bewerber sollen verschweigen, dass sie früher einmal länger krank waren? Sie sollen Datumsangaben schönen, um einen Monat Lücke irgendwann vor Jahren zu vertuschen? Sie dürfen nicht sagen, dass sie den letzten Job nach zwei Monaten wieder gekündigt haben, weil es doch nicht passte?

Das passt nicht zusammen! Wer Bewerbern heute noch einredet, sich für solche Lücken im Lebenslauf schämen zu müssen und Tipps zu deren Vertuschung gibt, der feuert das falsche Spiel zwischen Recruitern und Bewerbern weiter an. In einem Bewerbungsprozess auf Augenhöhe hat Geheimniskrämerei nichts mehr zu suchen. Das gilt für beiden Seiten.

Alles das, was Bewerbern immer noch als schädlich bei der Jobsuche eingeredet wird, sollte Normalität als Teil des Lebens werden: Die Krankheit, die jeden von uns treffen kann. Die Pflege von Angehörigen, die in den besten Familien vorkommt. Dass sich Bewerber und auch Arbeitgeber bei der Auswahl falsch entschieden und schnell wieder getrennt haben. Dass es mit dem Chef oder den Kollegen nicht mehr gepasst hat. Der anfangs spannende Beruf, der irgendwann zu langweiliger Routine geworden ist. Dass Führung oder Verantwortung irgendwann überfordert haben und ein Schritt zurück richtig war. Die zielgerichtete Jobsuche, die ganz bewusst länger gedauert hat. Die Werte und Ziele im Leben eines Menschen, die sich verändert haben und der berufliche Weg, der angepasst worden ist.

Erfahrungen im Leben lassen Menschen wachsen

Ein Lebenslauf soll Auskunft über die Vergangenheit eines Menschen geben. Er soll Arbeitgeber befähigen, die Eignung eines Arbeitnehmers für eine bestimmte Position und Aufgabe in der Zukunft zu bewerten.

Wer sagt, dass ein Mitarbeiter nach einem Burnout und Behandlung sowie Therapie nicht wieder fit sein kann und wahrscheinlich sogar achtsamer mit den eigenen Ressourcen und seiner Gesundheit umgeht als ein anderer Bewerber ohne diese Erfahrungen?

Wo ist die Studie, die zeigt, dass Arbeitnehmer nach Erziehungszeiten oder Pflege von Angehörigen als Wiedereinsteiger schlechtere Mitarbeiter sind? Wer sagt, dass ein Angestellter nicht flexibel denken kann, wenn es ihm in den letzten fünfzehn Jahren bei einem Arbeitgeber gut ging und es keinen Bedarf für Veränderungen gab?

Warum glauben Arbeitgeber, dass jemand, der im letzten Jahr dreimal die Stelle gewechselt hat auch bei ihnen auf gar keinen Fall länger bleiben wird? Was ist verwerflich daran, wenn sich Arbeitnehmer zwischen zwei Stationen eine mehrmonatige Auszeit nehmen und ihr verdientes Geld nutzen, um das Leben zu genießen? Verlernen wir Arbeit etwa in drei Monaten Erholung? Und ist es nicht sogar von Vorteil, wenn ein neuer Mitarbeiter entspannt und von diesen Erfahrungen inspiriert sowie mit Abstand zum letzten Job neu in ein Unternehmen einsteigt?

Wenn ich bemerke, dass sich Bewerber für ihren Lebenslauf schämen, dann frage ich sie, ob es etwas gibt, das diese Zeit ihres Lebens geprägt habe. Etwas, das vielleicht auch für die kommenden Jahre im Beruf von Bedeutung sein könnte. Nach einem kurzen, ungläubigen Blick erzählen sie mir, was sie etwa durch ihre Krankheit oder die Pflege von Angehörigen gelernt haben. Ein stärkeres Bewusstsein für sich selbst, Achtsamkeit, oder die Erfahrung, es aus einem tiefen Tal wieder hinaus geschafft zu haben. Echte Freundschaften zu Menschen, die für sie da waren. Das Wissen, was ihnen im Leben und auch im Beruf wichtig ist.

Lebenslauf Lücken: Neue Haltung für HR und Bewerber

Das alles sollten wir stärker ins Bewusstsein rücken statt Menschen einzureden, ihr Lebenslauf sei schlecht. Unternehmen sollten im Bewerbungsprozess weniger nach dem Warum einer Lücke forschen, sondern sich für die Erfahrungen und Erlebnisse eines Bewerbers in dieser Zeit echt interessieren. Weniger nach Lücken und Defiziten für Ablehnungsgründe forschen, sondern mehr Stärken und Potenziale für eine gute Zusammenarbeit in der Zukunft entdecken.

Ich bin der Meinung: Mit Lücken im Lebenslauf verhält es sich wie mit den Schwächen: Sie werden sich niemals in der Pressestelle eines Konzerns bewerben, wenn Sie unter Rechtschreib-Leseschwäche leiden. Sie werden sich niemals für den Job in der Flugsicherung des Frankfurter Flughafens oder als Börsenhändler bewerben, wenn Sie gerade einen Burnout oder Herzinfarkt hinter sich haben. Für alle anderen Schwächen, vermeintlichen Lücken und angeblichen Fehltritte im Lebenslauf gilt: Sie sind Teil Ihres Lebens und haben Sie als Mensch geprägt.

Ich spreche heute bewusst nicht die Empfehlung aus, „Auszeit wegen Krankheit“ oder „3 Monate Urlaub“ in Ihren Lebenslauf zu schreiben, auch wenn ich es persönlich für richtig und zeitgemäß halte. Ich vermute, dass die Bewerbungsprozesse und die Haltung bei einigen Recruitern noch nicht so weit sind. Doch entscheiden Sie selbst, wie ehrlich Ihr Lebenslauf sein darf.

Mir geht es vielmehr um Ihre Haltung als Bewerber. Für einen gesunden Blick auf Ihren eigenen Lebenslauf. Für Stärke im Bewerbungsgespräch, um nicht sofort in Panik zu verfallen oder einzuknicken, wenn Sie nach Zeiten in Ihrem Leben gefragt werden, die für Sie persönlich schwer waren oder von denen Sie bisher geglaubt haben, sie seien schädlich für Ihre Karriere und den Erfolg als Bewerber. Ihre Vergangenheit ist Geschichte, es geht um die Gestaltung Ihrer Zukunft.

Ach ja, auch Personaler werden krank, würden sich gerne einen langen Urlaub gönnen oder können auch mal die Probezeit bei ihrem Arbeitgeber nicht überstehen. Und die Idee, Bewerbern für echte Augenhöhe vorher die Lebensläufe ihrer Gesprächspartner zu schicken gefällt mir irgendwie.

(Bild: gratisography.com)

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Dr. Bernd Slaghuis

Ich arbeite als Karriereberater & Bewerbungscoach und habe mich auf Themen rund um die Karriereplanung und berufliche Neuorientierung spezialisiert. Seit 2011 habe ich über 2.000 Angestellte bei ihrem nächsten Schritt im Beruf sowie im Bewerbungsprozess begleitet - über alle Hierarchieebenen und Branchen hinweg - Online oder in meinem Kölner Büro. Meine Erfahrungen teile ich hier im Blog, in meiner SPIEGEL-Kolumne sowie als XING Insider und LinkedIn Top-Voice.

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Dieser Beitrag hat 12 Kommentare
  1. Ja, das immer wieder gerne genommene Thema der Lebenslauflücken.
    Die Beschreibung des Problems ist ja schon sehr gut dargestellt worden. Und ja, es wäre schön, könnte man diese endlich mal ohne Klimmzüge beantworten und diese Antworten würden einem nicht gleich zu Fallstricken.

    Doch warum sehen Personalsuchende überhaupt nach diesen Lücken? Ich denke, das kommt noch aus der Zeit, als man seine Ausbildung bei einem Unternehmen begann und dort blieb bis zur Rente. Da war ein Arbeitsplatzwechsel immer so eine Sache. Da hing immer der Verdacht des Quertreibers in der Luft. Nun, die Zeiten sind selbst in Japan inzwischen Geschichte.

    Ich finde diese Lückenfragerei in den Bewerbungsgesprächen immer nur witzig. Was wollen die da eigentlich erfahren? Entweder war man zu lange bei einem Unternehmen, dann ist man unflexibel oder man ist zu kurz bei einem Unternehmen, dann ist man nicht beständig genug. Was also wollen die Fragenden nun? Heutzutage schafft es kein Arbeitnehmer mehr ohne beschäftigungsfreie Zeit bis zur Rente zu kommen. Warum also immer dieser Augenmerk auf diese Lücken?

    Nun, ein Bewerbungsprozess kostet das Unternehmen Geld. Manchmal sogar viel Geld. Sucht der Personaler da die falsche Person aus, werden seine Vorgesetzten nicht begeistert sein. Passiert das öfters, könnte es leicht passieren, dass der Personaler plötzlich auf der anderen Seite des Tisches sitzt. Wenn er seinen Beruf nun ernsthaft betreibt, muss er versuchen herauszubekommen, warum es diese Lücken gibt. Wer möchte schon jemanden z. B. für eine Führungsposition, wenn dieser bei der ersten Schwierigkeit zusammenbricht oder das Unternehmen verlässt?

    Klar, es gibt auch die Variante von Fragenden, die einfach nicht mehr wissen, was sie fragen sollen. Oder sie sind noch vom alten Schlag und erwarten einfach, dass man ausschließlich für das Unternehmen lebt.

    Also, um jetzt wieder zu den Fragen zu kommen, es gibt schon eine Berechtigung für die Fragen. Allerdings wird es wohl noch eine ganze Weile dauern, bis beide Seiten gelernt haben werden mit ehrlichen Antworten umzugehen. Bis dahin ist es immer eine gute Aussage, man habe freiberuflich gearbeitet oder sich auf seine Weiterbildung konzentriert. Was nun Krankheiten angeht, so kommt es nur darauf an, dass man glaubwürdig dastellen kann, dass diese keine Auswirkung auf die angesterbte Tätigkeit hat oder das man Maßnahmen dagegen ergriffen hat.
    Immerhin, die Aussage, wenn man sich um Angehörige kümmern muss, wird auch immer öfter positiv aufgenommen.

    Es besteht also Hoffnung auf Besserung!

    1. Hallo Herr Ende,
      ich teile Ihre Vermutungen, warum die Sicht auf die Lücken immer noch so stark im Vordergrund steht. Gewohnheit, Sorge vor Fehlentscheidungen etc. Die Frage selbst ist ja auch o.k., denn sie schafft Klarheit über die Werte und Motive eines Bewerbers. Weniger als Rechtfertigung und Erklärung der Vergangenheit, sondern stärker als Abschätzung des Verhaltens in der Zukunft.
      Viele Grüße
      Bernd Slaghuis

  2. Sehr geehrter Herr Dr. Slaghuis,

    Sie sprechen mir ganz deutlich aus der Seele. Daher spreche ich Ihnen ein sehr großes Kompliment aus. Wir müssen uns abwenden von der Arbeitssuche, die für viele Menschen zu einem Lotteriespiel geworden ist. Menschen, die wie ich einen richtig schlechten Lebenslauf haben, sind nicht grundsätzlich selbst daran schuld, dass das Leben so verlaufen ist, wie es im Lebenslauf korrekterweise steht. Das Leben ist kein Wunschkonzert. Ich habe gelernt, mich ganz anders durch das Leben zu kämpfen, als viele Menschen, die einen mustergültigen Lebenslauf vorlegen können. Das Resultat sieht nicht nur bei mir so aus, dass eine unnötig lange Phase der Arbeitssuche die Folge ist. Viele Menschen sind hierzulande auf der Arbeitssuche, manche bereits viele Jahre. Muss so etwas sein? Ganz klar NEIN! Eine Kommunikation auf Augenhöhe würde vieles verändern. Selbst jemand, der nicht ein Spezialist für das Schreiben von Bewerbungen ist, kann richtig gute Arbeit leisten. Mir wurde oft eingeredet, was ich angeblich nicht kann. Es macht mir richtig Spaß, in verblüffte Gesichter zu sehen, wenn ich Aufgaben erledigt habe, die mir zuvor nicht zugetraut worden sind.
    Ich tausche die Suche nach Arbeit nur zu gerne mit einem Arbeitsplatz, der täglich mit Herausforderungen aufwartet, für die es sich lohnt, Körper und Geist anzustrengen.

    Ich arbeite sehr gern, wenn man mich machen lässt. Ganz einfach.

    Mit freundlichen Grüßen
    Bernd Nienhaus

  3. Hallo Dr. Slaghuis,

    dem Artikel kann ich absolut nichts hinzufügen, Sie treffen es genau auf den Punkt.

    Meine berufliche Situation ist exakt dieselbe. Ich habe eine ordentliche Berufsausbildung mit einer Vielzahl von Weiterbildungen und Speziallehrgängen, Fremdsprachenkenntnissen und über 16 Jahren Berufserfahrung. Einige meiner Stationen bei Arbeitgebern waren langjährige Stationen. Ohne falsche Bescheidenheit, halte ich mich selbst für eine sehr gute Fachkraft, einen guten Blogger und eine „well rounded person.“

    In den letzten vier Jahren habe ich allerdings häufiger den Arbeitgeber gewechselt – teils aus Erholungszwecken, teils aus Zwecken der nebenberuflichen Gründung meines Online-Businesses.

    Jaaa und als ich mich dann dieses Jahr wieder beworben habe, da hieß es dann, genau wie Sie es beschrieben haben, „warum haben Sie denn häufig gewechselt“, die Klassiker eben.

    Die Personalchefs in Deutschland sind nunmal durch die Matrix konditioniert und leben führungsstiltechnisch noch in den 80ern. In einer Arbeits- und Wirtschaftswelt von heute die nur so auf Flexibilität ausgerichtet ist, wird gerade bei Lebensläufen von Bewerbern aber eben diese Flexibilität so kritisch gesehen. Eigentlich ein Widerspruch in sich.

    Lebensläufe sind IMHO nicht mehr zeitgemäß und völlig überbewertet.

    Viele Grüße
    Sladjan Lazic

  4. Hallo Dr. Slaghuis,
    sie sprechen mir aus dem Herzen.
    Ich sitze zur Zeit in einer Maßnahme um meine Bewerbungsunterlagen auf „Vordermann“ zu bringen. Meine Bewerbungen und mein Lebenslauf werden auf Wortwahl überprüft bevor ich diese versende. Mein Lebenslauf weist leider viele Lücken auf, Lücken auf die ich nicht eingehen darf. Warum dürfen zukünftige mögliche Arbeitgeber nicht wissen, dass ich die letzten 1,5 Jahre krank war und deswegen meinen Job verloren habe. Warum dürfen sie nicht wissen, das ich in Elternzeit war und in dieser Zeit familiär einiges passiert ist, was mich dazu zwang meine Eltern zu pflegen? Und warum dürfen sie nicht erfahren, das ich vor der Elternzeit in Bewerbungsgesprächen abgelehnt wurde, weil ich ja ein gewisses Alter habe und Kinder ja nicht mehr lange auf sich warten lassen? Statt dessen endet mein Lebenslauf mit dem Satz „Nicht aufgeführte Zeiten entsprechen der aktiven Jobsuche.“
    Was denken Personaler, wenn sie solch einen Satz lesen? Ich würde mich so auch nicht einstellen!
    Mit besten Grüßen
    G. B. Ober

    1. Hallo Frau Ober,
      danke für Ihren Kommentar. Ich bin der Meinung, jeder sollte einen Lebenslauf schreiben, mit der er/sie sich wohl fühlt. Es gibt keine Do’s and Dont’s – mal abgesehen von falscher Rechtschreibung, unseriösen Mail-Adressen oder Party-Fotos als Bewerbungsbild etc. Die Frage ist doch, was Sie glauben, was Ihr potenzieller neuer Arbeitgeber über Sie erfahren sollte, um sich ein gutes Bild machen zu können. Wenn es hierfür wichtig ist, über Erziehungs- oder Pflegezeiten Klarheit zu schaffen, dann sollten sie diese Zeiten aus meiner Erfahrung so benennen. Je weniger Fragezeichen der Leser Ihrer Bewerbung im Kopf hat, umso besser. Dieser Satz, den Sie nennen, würde für mich bei wenigen Monaten „Lücke“ zwischen zwei Positionen gelten (selbst dann würde ich ihn auch nicht schreiben), bei 1,5 Jahren erzeugt er ein großes Fragezeichen beim Leser und schreit danach, dass Sie etwas vertuschen möchten. Spätestens im Gespräch beginnt die Suche nach der Wahrheit. Also warum nicht gleich Klarheit schaffen? Das macht die Gespräche später entspannter, berichten mir viele Bewerber.
      Viele Grüße
      Bernd Slaghuis

  5. Lieber Herr Dr. Slaghuis,
    Sie haben mir mit Ihrem Artikel so sehr aus der Seele gesprochen! Vielen Dank dafür. Bis zu diesem Zeitpunkt habe ich mich für mein(en) Leben(slauf) geschämt und meiner Beraterin brav Folge geleistet, nicht zu erwähnen, dass ich einige Jahre schwer krank war. Da ich trotz meiner Krankheit und höherem Alter in der Zeit ein Bachelorstudium absolviert und abgeschlossen habe, finde ich gar nicht, dass ich es nicht erwähnen sollte. Ich denke, dass eher Kopfkino bei Personalern entsteht, wenn man aufhört zu arbeiten, um 5 Jahre zu studieren… Was denken Sie in meinem Fall? Im Lebenslauf dazu schreiben, dass ich krank war oder „nur“ die Studienzeit hinschreiben?
    Danke und herzliche Grüße!

    1. Hallo Aurika,
      wenn Sie mein Text und der Gedanke dahinter so sehr angesprochen haben, dann sollten Sie Ihren Lebenslauf so gestalten, wie es für Sie stimmig ist. Sie können natürlich bezogen auf die Erkrankung entscheiden, wieviel Details Sie preis geben, vielleicht ist ja auch ein Satz im Anschreiben sinnvoll, dass Sie wieder vollständig gesund sind – wenn es so ist. Schaffen Sie mit Ihrer Bewerbung die Klarheit, die aus Ihrer Sicht sinnvoll und wichtig ist, um Sie als Bewerberin richtig greifen zu können und möglichst wenige Fragezeichen als Leser im Kopf zu haben. Ich wünsche Ihnen viel Erfolg!
      Viele Grüße
      Bernd Slaghuis

  6. Danke für diesen tollen Artikel!

    Ich habe mich gefragt, was man denn schreiben kann bei einer chronischen psychischen Erkrankung, die einen zwar nicht arbeitsunfähig macht, aber wegen der man nur in Teilzeit arbeiten kann? Wenn ich da schreiben würde „Krankheitsbedingte Auszeit“ und keine „Vollständige Genesung“ hinzufügen würde – dann könnte der Personaler sich doch auch seinen Teil denken, oder nicht? Ich hatte in der Vergangenheit einen Klinikaufenthalt, bin danach aber jetzt viel stabiler als vorher und achte deshalb nun besser auf meine Grenzen. Deshalb bin ich mir auch sicher, dass sich das nicht negativ auf meine Arbeit auswirken würde.

    Beste Grüße,
    Helena

  7. Toller Auf- und Ansatz!

    Und warum nicht gleich mal den Spieß umdrehen (bitte nicht falsch verstehen und mit einem Augenzwinkern): „Arbeitgeber:in bewirbt sich bei Arbeitnehmer:in“ – schließlich „geben“ wir Arbeitnehmer: innen den Arbeitgeber:innen unsere Arbeitskraft 😀.

    Übrigens ist diese Idee nicht von mir, sondern von einem leitenden Oberarzt einer Kinder- und Jugendpsychiatrischen Einrichtung, bei der ich mich vor einiger Zeit beworben hatte und zum Vorstellungsgespräch eingeladen wurde. Wie gewohnt saß ich (alleine) sehr vielen relevanten Personen (mindestens fünf) dieser Einrichtung gegenüber. Nach der üblichen Eröffnungsrunde fiel der bereits erwartete Satz: „Nun erzählen Sie doch mal von sich …“. Ob es an meiner Körpersprache lag oder an etwas anderem kann ich im Nachhinein nicht sagen – jedenfalls übernahm dann der leitende Oberarzt das Gespräch und meinte: „Ja, warum soll eigentlich die Bewerberin anfangen. Eigentlich müssten wir uns doch bei ihr vorstellen, damit sie weiß, auf wen oder was sie sich hier einlässt.“

    Dazu ist es dann leider nicht gekommen, aber die Idee und Haltung dahinter fand ich mega! Und hat dem Gespräch einen anderen Charakter gegeben. Seither verhalte ich mich viel entspannter und selbstbewusster, was große Vorstellungsrunden angeht und was mir an meiner/ neuen Tätigkeit/en und meiner/m neuen Arbeitgeber:in (oder soll ich sagen „Arbeitnehmer:in“ 😀) wichtig ist.

    Karin Lang (Sozialpädagogin)

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