Ja, ich darf das! Was auch Sie sich endlich wieder mehr erlauben sollten.

Ich habe fast den Eindruck, es ist zum absoluten Luxusgut geworden, sich selbst etwas zu erlauben. Wir erlauben uns, ein oder zweimal im Jahr in Urlaub zu fahren oder ein schönes Abendessen zu besonderen Anlässen. Und am Sonntag wird mal ausgeschlafen. Und sonst? Ist das alles? Dürfen wir uns denn noch mehr erlauben? Und wenn, ist es überhaupt in Ordnung, dass wir das selbst tun? Erlaubnis – das sind doch sonst andere Menschen, die uns zugestehen, etwas zu tun, wofür wir sie um Erlaubnis gefragt haben. Müssen wir denn immer jemanden um Erlaubnis fragen? Oder dürfen Sie sich auch selbst mehr erlauben? Und wie ist das im Job? Sind Sie nur die Marionette Ihres Chefs und geben Sie die Verantwortung für sich selbst beim Pförtner ab? Oder gibt es auch bei Ihrer Arbeit Dinge, die Sie sich gerne wieder mehr erlauben möchten? Hier sind sechs Ideen von mir für Sie:

Träumen

Wovon träumen Sie? Was möchten Sie gerne einmal machen? Was möchten Sie noch in Ihrem Leben erreichen?

Träume sind nicht nur für die Nacht da. Erinnern Sie sich daran, wann Sie zuletzt am Tag geträumt haben? Wann Sie so ganz und gar in Gedanken versunken waren und nur bei sich selbst waren? Wann Sie zuletzt von etwas geträumt haben, was Sie sich sehnlichst wünschen?

Viele Menschen haben heute verlernt, zu träumen. Sie rennen den ganzen Tag wie getrieben und vollkommen kopfgesteuert durch die Welt. „Da ist kein Platz für Träume. Träume sind Spinnereien und dafür fehlt mir die Zeit. Das ist doch eh alles unrealistisch!“ Mag sein. Aber die Fähigkeit, zu träumen eröffnet uns andere Perspektiven und zeigt uns Ziele unseres Lebens auf, die wir bei rein rationaler Betrachtung nicht sehen würden. Tagträume fördern die Krativität und bringen uns im hektischen Büroalltag wieder in einen ausgeglicheneren und damit produktiveren Bewusstseinszustand.

Hinter unseren (Tag-)Träumen verbergen sich zudem unsere Wünsche und Sehnsüchte. Selbst wenn es unrealistisch ist, diese Träume morgen oder übermorgen Realtität werden zu lassen, verrät die Motivation dahinter sehr viel. Und vielleicht gibt es ja auch andere Wege und Möglichkeiten, das, was sich eigentlich hinter Ihrem Traum verbirgt, zu erreichen.

Nein sagen

Wie oft denken Sie „Eigentlich möchte ich das nicht!“? Wie oft tun Sie anderen Menschen einen Gefallen, auch wenn Sie vielleicht anderer Meinung sind oder lieber etwas ganz anderes machen möchten?

Sie mutieren nicht gleich zum Egoisten, sobald Sie stärker auf Ihre eigenen Bedürfnisse und Wünsche hören. Wenn Sie keine Lust etwa auf ein Abendessen mit der besten Freundin haben, die Sie nur als Mülleimer für ihre Beziehungsprobleme braucht, dann lehnen Sie ab. Wenn Sie das ganze Jahr den Müll runtergebracht haben und Ihr Mann mal wieder subtil zu verstehen gibt, dass der Eimer voll ist, Sie aber keine Lust auf einen nächtlichen Gang in den Keller haben, dann schicken Sie ihn mal runter.

Ja, und auch im Job haben Sie das Recht, Nein zu sagen. Nicht jedes Nein bedeutet gleich die absolute Arbeitsverweigerung und die Abmahnung. Ein „Nein, das sehe ich anders, weil …“ kann durchaus auch gerne vom Chef gesehen werden. Und auch ein „Nein, warum muss ich das immer machen und nicht Kollege XY“ kann Ihrem Chef signalisieren, dass Sie sich ungerecht behandelt fühlen. Probieren Sie es mal aus. Vielleicht am Anfang mit einem „Nein“, von dem Sie wissen, dass die Konsequenzen relativ harmlos sind, es Ihnen aber trotzdem wichtig ist.

Kind sein

Wie steht es mit Ihrer Neugierde? Wie voreingenommen sind Sie, wenn Sie auf andere Menschen treffen? Was kann Sie noch so richtig begeistern? Wie oft stellen Sie sich die Frage „Warum?“

Auch wenn Sie volljährig sind und damit tatsächlich der Chef Ihres Lebens sind – Glückwunsch! – erlauben Sie sich, mal wieder öfter Kind zu sein. Kinder sind neugierig und wollen die Welt um sich herum entdecken. Sie gehen mit Freude und Unvoreingenommenheit an Neues heran. Sie sprechen Dinge an, die sie sehen und nicht verstehen. Sie fragen nach dem Warum und möchten nicht nur hinnehmen, sondern verstehen. Und sie machen verrückte, unüberlegte Dinge. Sie entscheiden aus dem Bauch heraus, ohne die Konsequenzen ihres Handelns bis ins Detail genau vorhergeplant zu haben.

Das ist spannend. Obwohl wir alle wissen, wie es war, Kind zu sein, liegen doch alle diese Verhaltensweisen heute im Erwachsenenalter außerhalb unserer Komfortzone. Oder würden Sie einen Bein amputierten Menschen neugierig fragen, warum er nur ein Bein hat? Durch Glaubenssätze der Erwachsenen, die übrigens fast alle das Wort „man“ enthalten, also zum Beispiel „Das fragt man nicht“ wurde uns das Kind-sein quasi ausgetrieben. Das ist vielleicht gut, weil wir nun gesittet mit Messer und Gabel speisen können und die Welt aus Erwachsenen-Augen anders wahrnehmen. Es sind aber auch viele Fähigkeiten und Verhaltensweisen ins Abseits geraten, die uns auch als Erwachsene gut tun würden, wenn wir sie uns wieder bewusst mehr erlauben.

Nichts tun

Wie jetzt. Nichts tun. Geht das überhaupt? Und wozu soll das gut sein? Ich kann nicht nichts tun! Dafür habe ich keine Zeit!

Beim Schreiben dieser Zeile muss ich selbst über mich lachen. Ja, das fällt mir auch schwer, aber ich weiß, dass es extrem wichtig ist. Einfach mal nichts zu tun. Irgendwo an einem schönen Ort sitzen oder stehen oder liegen und nichts zu tun. Nicht an das denken, was an Aufgaben noch ansteht und auch nicht über das nachdenken, was zuletzt geschehen ist. Kompliziert! Geht das überhaupt, bewusst an nichts zu denken?

Es geht und es geht einher mit vollkommener Entspannung durch Loslassen. Ich bin kein Mental-Experte, aber genau dieser Zustand des Nichts-Tuns ist aus meiner Erfahrung vergleichbar mit dem Moment so kurz vor dem Einschlafen abends im Bett – noch wach, aber in einem angenehmen, ruhigen und entspannten Zustand.

Das Leben besteht nicht nur aus Arbeit, Hobbies, Haus und Familie. Wir brauchen Zeit für uns und in dieser Zeit auch aktive und bewusste Entspannungsphasen. Gerade in der zunehmend dynamischen und immer schneller werdenden Arbeitswelt ist es wichtig, regelmäßig und bewusst zur Ruhe zu kommen. Nichts zu tun, also auch nicht zu lesen, fern zu sehen oder sich Gedanken zu machen, ist eine Möglichkeit, durch Entspannung neue Kraft zu tanken. Probieren Sie es mal wieder aus, ob Nichtstun ab und zu auch für Sie persönlich mal gut ist.

Fehler machen

Wieviel Angst haben Sie davor, Fehler zu machen? Und was ist, wenn andere das mitbekommen? Wieviel Zeit und Energie kostet es Sie täglich, möglichst perfekt und fehlerfrei zu sein?

Ja klar, Fehler sind doof! Und wir ärgern uns über uns, wenn uns ein Fehler passiert ist. Wer im Job zu viele Fehler macht, macht schlechte Arbeit. Wer in der Schule Fehler gemacht hat, hat schlechte Noten bekommen. Wir lernen von Kind an, dass Fehler schlecht sind und wir nur dann Anerkennung ernten und Erfolg haben, wenn wir möglichst fehlerfrei handeln.

Die meisten Fehler machen wir heute als Erwachsene, weil wir über unzureichende Informationen verfügen. Wir treffen Entscheidungen unter Unsicherheit und im Nachgang, wenn die Fakten geschaffen sind, bemerken wir, dass ein anderer Weg oder eine andere Entscheidung besser gewesen wäre. Um das zu vermeiden, setzen wir alle Anstrengung in die Beseitigung der Unsicherheit und wenn das nicht gelingt, dann wird eben auch gar keine Entscheidung getroffen – aus Angst vor Fehlern. Das ist schade, denn damit verbieten Sie sich viele Handlungsmöglichkeiten und Chancen. Es heißt nicht umsonst „Aus Fehlern wirst Du klug.“ Entscheiden Sie als Chef Ihres Lebens, ob Sie sich in bestimmten Situationen Fehler erlauben dürfen oder ob es wichtig ist, 100 Prozent perfekt und fehlerfrei zu handeln.

Zeit für sich nehmen

Wieviel Ihrer Lebenszeit kümmern Sie sich um andere? Was tun Sie alles, um anderen zu gefallen? Wie stark verfolgen Sie auch Ihre eigenen Ziele und kümmern sich um sich selbst?

Viele Klienten sagen mir nach einer Stunde im Coaching, wie gut es doch tut, in dieser Zeit mal nur über sich selbst nachzudenken. Und, dass sie dies ja sonst in ihrem Alltag gar nicht schaffen. Ich finde dieses Bewusstsein sehr wichtig, aber auch bedenkenswert. Jeder von uns hätte die Möglichkeit – wenn es uns wichtig wäre – jede Woche eine Stunde unserer Zeit abzuknapsen und uns Zeit nur für uns selbst zu nehmen. Über Dinge nachdenken, die uns wichtig sind oder die wir in den nächsten Tagen oder Wochen angehen möchten. Und auch über die größeren Fragen: „Wo soll es im Beruf hingehen und was kann ich hierfür tun? Was ist mir im Privatleben wichtig? Was läuft gerade gut und soll so bleiben, wie es ist und was möchte ich gerne verändern?“

Ist es unangenehm, über sich selbst und das eigene Leben nachzudenken? Selbstreflexion bedeutet meist auch, sich selbst und das eigene Handeln infrage zu stellen. Drücken wir uns hiervor? Ist es vielleicht leichter, unseren Freunden oder Partnern kluge Ratschläge zu geben und alles dafür zu tun, um ihnen zu gefallen als den Blick auf uns selbst zu richten? Dabei sind nur wir selbst es, die Antworten zu diesen Fragen finden und unseren eigenen Weg gehen können.

Noch etwas ..?

Gibt es noch etwas, das Sie sich gerne wieder mehr erlauben möchten? Was kommt in Ihrem Leben gerade viel zu kurz? Wovon möchten Sie gerne wieder mehr tun oder was möchten Sie gerne wieder reaktivieren, weil es Ihnen schon einmal gut getan oder geholfen hat?

Auf die Idee für diesen Artikel hat mich eine Zuhörerin bei meinem Vortrag neulich auf dem Bonner Karrieretag gebracht. Im Vortrag spreche ich davon, sich auf der Suche nach dem Traumjob alle Gedanken zu erlauben. Bei der Vorbereitung der Präsentation stand das „Erlauben“ nicht in meinem Fokus. Die Zuhörerin bedankte sich nach dem Vortrag vor allen anderen Zuhörern für meinen Impuls, sich wieder mehr zu erlauben. Dies nehme sie persönlich als wichtigste Erkenntnis mit. Und ich nahm es als Idee für diesen Blogartikel mit ;-)

Diese sechs Ideen sind nur als Impulse gedacht. Sie müssen nicht unbedingt auf Ihre momentane Lebenssituation passen. Ich bin mir aber sicher, Ihnen fallen viele weitere schöne Dinge ein, die für Sie wichtig sind und die Sie sich persönlich gerne wieder mehr erlauben möchten.

Haben Sie Lust, Ihre Erlauber auch mit anderen Lesern meines Blogs zu teilen? Dann schreiben Sie unten in den Kommentaren, was auch Sie sich endlich wieder erlauben möchten.

Ich freue mich, wenn Sie diesen Beitrag in Ihren Netzwerken teilen.

Dr. Bernd Slaghuis

Ich arbeite als Karriereberater & Bewerbungscoach und habe mich auf Themen rund um die Karriereplanung und berufliche Neuorientierung spezialisiert. Seit 2011 habe ich über 2.000 Angestellte bei ihrem nächsten Schritt im Beruf sowie im Bewerbungsprozess begleitet - über alle Hierarchieebenen und Branchen hinweg - Online oder in meinem Kölner Büro. Meine Erfahrungen teile ich hier im Blog, in meiner SPIEGEL-Kolumne sowie als XING Insider und LinkedIn Top-Voice.

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