5 Jobs, für die ich als Coach nicht zuständig bin.

Sind wir Coachs Hofnarren, die dem Top-Manager unverblümt den Spiegel vorhalten? Treten wir unseren Klienten in den Hintern, damit sie endlich aus den Pötten kommen? Zeigen wir, wo es im Leben und im Job lang zu gehen hat? Helfen wir Menschen dabei, zum perfekten Schauspieler in ihrem Business zu werden?

Sicher gibt es Coachs, die genau hiermit ihr gutes Geld verdienen und ich weiß, dass es auch Menschen gibt, die genau dies von einem Coach erwarten. Ich persönlich bin mir heute ganz sicher: Für diese Jobs bin ich nicht zuständig!

Was verstehe ich unter Coaching? Was kann und vor allem was möchte ich als Coach überhaupt leisten? Wann ist Coaching aus meiner Sicht besonders wirksam? Es geht hier um meine eigene Grundhaltung als Coach. Ich respektiere Kollegen, die eine andere Sichtweise auf ihre Arbeit haben und ich respektiere genauso Menschen, die etwas anderes von einem Coach erwarten, als sie es bei mir bekommen. Bleiben wir bei diesem Perspektivwechsel: Dies sind die 5 Jobs, für die ich nicht zuständig bin: 

Hofnarr

Dieser Punkt steht oben, denn er hat mich zu diesem Beitrag inspiriert, den Sie gerade lesen. Ich habe schon lange vor, hier im Blog über dieses Thema zu schreiben und ich habe mich dazu auch schon intensiv mit Kolleginnen und Kollegen ausgetauscht. Immer wieder lese ich, dass es eine der Aufgaben eines Coachs bei der Arbeit mit Führungskräften sei, die Rolle des Hofnarren einzunehmen. Der Coach als soziale Institution zulässiger Kritik, der dem Manager schonungslos und unverblümt den Spiegel vorhält.

Genau das ist es, was ich oft auch in Vorgesprächen mit Führungskräften erlebe. Und je höher sie in der Hierarchie sitzen, desto stärker scheint mir ist dieser Wunsch ausgeprägt. Der Coach als neutrale Person soll Tacheles reden. Unverblümt das aussprechen, was der Manager im Unternehmen sonst nicht als Feedback erhält, weil die Luft da oben so dünn ist und sich niemand traut, dem Chef ehrliches Feedback zu geben.

Meine Perspektive:
Der Hofnarren-Auftrag bedient genau das, was die Generation der noch stark in Hierarchien denkenden Manager wünscht. So wie sie gelernt haben, dass es gut ist (gut war!) ihre Mitarbeiter im Unternehmen regelmäßig mit harter Hand und Kontrolle auf Spur zu bringen, so möchten auch sie einen ebenbürtigen Sparringspartner haben, der ihnen so richtig die Meinung sagt. Das Ergebnis: Bis auf reiche Coachs – keins! Oder wie geht es Ihnen, wenn Ihnen jemand schonungslos den Spiegel vorhält und Ihnen deutlich sagt, was Sie alles falsch machen? Egal, ob privat oder im Job. Also ich werde erst bockig und mache dann dicht. Dann beschäftigt es mich, warum es scheinbar ein Fehler war. Vielleicht ärgere ich mich auch über mich selbst. Aber was kann ich verändern ..? Keine Ahnung! Reines Hofnarrentum regt im Gegensatz zu wertschätzendem, konstruktivem Feedback kaum Reflexion zur Veränderung des eigenen Verhaltens an. Feedback ist wichtig im Coaching-Prozess, um Dinge ins Bewusstsein zu rücken. Hierfür braucht es aber nicht die Rolle des Hofnarren.

Davon einmal abgesehen, wäre nicht das folgende Ziel für einen Top-Manager mittelfristig viel attraktiver? „Was kann ich als Manager dazu beitragen, dass ich mehr ehrliches Feedback von meinen Mitarbeitern im Unternehmen erhalte?“ Der Coach macht sich bei erfolgreicher Arbeit bei diesem Anliegen zwar überflüssig, kasteit sich aber nicht zum Narren.

Drill-Instructor

Es gibt Menschen, die mit der Erwartungshaltung zu mir kommen, dass ich sie mal so richtig aus der Reserve locke. Dass ich ihnen Fragen stelle, die sich sonst niemand traut, zu fragen. Ich könnte es auch drastischer ausdrücken: Es geht um den schonungslosen Tritt in den Allerwertesten. Am liebsten in Kombination mit tiefem Bohren in Wunden, Ängsten, Schwächen oder Bedenken, die im Rahmen des Gesprächs ans Tageslicht geraten. In etwa so: „Na los, was hält Sie noch davon ab, endlich mit Ihrem Chef über die Gehaltserhöhung zu sprechen? Sie trauen sich nicht? Jetzt ist Schluss, seien Sie endlich ein echter Kerl! Das haben schon ganz andere vor Ihnen geschafft! Morgen machen Sie einen Termin und lassen Sie sich bloß nicht abwimmeln, sonst gibt’s Ärger!“

Meine Perspektive:
Ich bin von meiner Persönlichkeit kein Hau-Drauf-Typ, als Coaching-Methode wäre es mir äußerst fremd und nicht authentisch. Außerdem bin ich durch meine Erfahrungen der letzten Jahre fest davon überzeugt, dass Drill im Coaching zu keinen guten und vor allem nicht zu nachhaltigen Lösungen führt. Ich nutze andere Methoden, wie etwa die Provokation im Coaching, um Menschen aus der Reserve zu locken und eingefahrene Denkmuster oder Bretter vorm Kopf aufzubrechen.

Es ist für mich wichtig, meinen Klienten wertschätzend und auf Augenhöhe zu begegnen. Mit der nötigen Gelassenheit und dem Vertrauen, dass sie alle notwendigen Ressourcen besitzen, um Lösungen für ihre Probleme zu entwickeln. Als Drill-Instructor würde ich mich über sie stellen.

Reiseleiter

„Bitte hier entlang, ich zeige Ihnen, wo es langgeht!“ Der Coach als Reiseleiter durch den Berufe-Dschungel. Dieser Wunsch steckt in manchen Anfragen von Menschen, die auf der Suche nach mehr Orientierung im Beruf sind. Nach dem Motto: „Ich schicke Ihnen mal meinen Lebenslauf, breite Ihnen dann eine Stunde mein bisheriges Leben aus und Sie, Herr Slaghuis, sagen mir, welcher Beruf der Richtige für mich ist.“ Ja, und am besten wäre es, ich ziehe auch gleich noch die passende Stelle aus der Schublade. Diese Haltung erkenne ich oft schon im ersten Telefonat an der Frage „Welche Branchen-Kompetenzen bringen Sie denn mit?“. Dahinter steckt die Annahme (und der Wunsch), dass ich als Experte für berufliche Neuorientierung die Fähigkeit besitze, Menschen in kürzester Zeit zu analysieren, ihre Kompetenzen vor dem Hintergrund aktueller und zukünftiger weltweiter Arbeitsmarktgegebenheiten zu bewerten und am Ende wie der Arzt ein Rezept ausstelle und mich mit den Worten verabschiede „Wenn Sie es genau so machen, wie ich es Ihnen sage, dann werden Sie den Traumjob finden – glauben Sie mir, da bin ich mir ganz sicher!“

Meine Perspektive:
Einer meiner Grundhaltungen im Leben und somit auch bei der Arbeit mit Klienten im Coaching ist die Übernahme der Verantwortung für das eigene Leben. Als Reiseleiter (und übrigens auch als Hofnarr und Drill-Instructor) übernehme ich eine Verantwortung, die aus meiner Sicht nur beim Klienten selbst liegen kann.

Nur mal angenommen, ich würde alle Ausbildungs- und Studiengänge, die aktuelle Situation in allen Branchen und sämtliche Jobs dieser Welt kennen – woher kann ich wissen, was genau morgen für mein Gegenüber der richtige Job ist? Das wäre nicht nur anmaßend, sondern vor allem nur ein (teurer) weiterer Ratschlag, von denen er ganz sicher bereits viele gehört hat. Trägt das dazu bei, für sich selbst mehr Klarheit zu erlangen? Aus meiner Erfahrung nicht. Karrierecoaching ist etwas anderes als Karriereberatung, Outplacement oder Personalvermittlung. Hier finden Sie einen guten Überblick über die Unterschiede.

Sie selbst wissen – oft auch nur unterbewusst – ganz genau, was gut für Sie ist. Sie sind Ihr eigener Reiseleiter! Sie alle kennen das: Nur wovon Sie selbst zutiefst überzeugt sind, motiviert Sie richtig. Ich unterstütze Sie durch den gezielten Einsatz von Methoden und Fragestellungen im Coaching darin, genau hierüber (wieder) Klarheit zu erlangen. Es geht um die innere Haltung und das eigene Selbst-Bewusst-Sein. Das Erkennen Ihrer eigenen Werte und Ziele und genau des einen Weges, der Ihnen heute gefällt, der zu Ihnen und Ihrem Leben passt und der Sie (!) glücklich macht – nicht mich.

Schauspiellehrer

„Ich möchte gerne dieses oder jenes Verhalten lernen.“ Dieses Anliegen wird interessanterweise vorwiegend von weiblichen Führungskräften an mich herangetragen. Sie glauben, dass sie sich im Kreis ihrer männlichen Kollegen anders als bisher verhalten müssen, um akzeptiert zu werden und erfolgreich zu sein. Dazu habe ich hier schonmal geschrieben. Sie fragen mich als Coach an, denn Verhaltenscoaching steht als Leistung auf meiner Homepage. Es herrscht die Vorstellung, dass wir im Coaching gemeinsam das neue Verhalten (an-)trainieren, welches sie (oder auch er) glaubt, dass es erwartet wird und bei den anderen Menschen gut ankommt.

Meine Perspektive:
Erstens mache ich einen klaren Unterschied zwischen Coaching und Training. Ein Trainer bringt anderen Menschen bestimmte Methoden oder Fähigkeiten bei, die er selbst beherrscht. Bei einem Präsentationstrainer lernen Sie wahrscheinlich, wie Sie richtig stehen, sprechen und mit PowerPoint umgehen. Bei mir als Coach würde ich Ihnen spiegeln, was mir an Ihrem Verhalten während einer Präsentation auffällt. Ich würde Ihnen ein Feedback geben, wie Sie auf mich in verschiedenen Situationen wirken. Ich würde Sie fragen, was aus Ihrer Sicht eine gute Präsentation ausmacht und welche Fähigkeiten Sie hierfür schon besitzen und ggf. ausbauen können. Und Sie würden am Ende eines Coachings einen passenden Weg festlegen, mit dem Sie die heute noch fehlenden Kompetenzen erwerben.

Zweitens halte ich es für falsch, sich anders zu verhalten und damit auch zu verstellen, nur weil wir glauben zu wissen, dass es andere von uns erwarten. Es kommt vor, dass Menschen ein Verhalten erlernen möchten, von dem sie selbst sagen, dass sie es an anderen Menschen verabscheuen. Verhaltenscoaching ist nur dann sinnvoll und wirkungsvoll, wenn Sie selbst davon überzeugt sind, dass ein anderes Verhalten für Sie gut ist – aus welcher Motivation heraus auch immer.

Wohltätigkeitsveranstalter

„Ist bei Ihnen die erste Sitzung ein Probe-Coaching?“ Nein, warum sollte sie?! Oder kennen Sie einen Frisör, der den ersten Haarschnitt umsonst macht? „Coaching ist aber teuer“ höre ich auch manchmal, dabei bewege ich mich mit meinem Stundensatz für Privatpersonen im Mittelfeld. Klar, das ist mehr als Sie bei einem Klempner bezahlen. Durchschnittlich kommen Klienten mit einem Anliegen aus dem Bereich berufliche Neuorientierung 6 Stunden zu mir. Ja, so schnell geht das im Coaching, wenn der Prozess die Lösung fokussiert und zielgerichtet angeleitet wird. Das verwundert viele, die vielleicht auch schon für andere Themen mehrere Hundert Sitzungen bei einem Therapeuten auf der Couch verbracht haben.

Meine Perspektive:
Als Coach biete ich eine professionelle Dienstleistung an. Ich bringe meine Ausbildungen, Kenntnisse und Erfahrungen ein. Wie bei jedem Dienstleister – und auch bei jedem Produkt – muss der Kunde entscheiden, ob der Preis in Relation zum Nutzen der Leistung steht. Das ist normales Kaufverhalten auf Märkten. So entscheiden wir alle im Supermarkt beim Joghurt, bei neuen Schuhen und auch beim Autokauf.

Um den Nutzen eines Coachings besser abschätzen zu können, biete ich allen Neu-Klienten ein kostenloses, etwa 30-minütiges persönliches Gespräch in meiner Praxis, am Telefon oder über Skype an. Dies ist noch kein Coaching, sondern ein erstes Kennenlernen, denn Sympathie ist für die Zusammenarbeit auf beiden Seiten wichtig. Wer sich dann für ein Coaching entscheidet, der zahlt.

Ihre Perspektive ..?

Meine Grundhaltung entspricht dem, was mir heute wichtig ist. Ich kann nicht sagen, wie ich in zwei oder fünf Jahren darüber denke. Ich mag nichts in Stein Gemeißeltes, dafür finde ich selbst Veränderungen viel zu spannend. Vielleicht habe ich mich im Jahr 2020 ja auch zu einem professionellen Hofnarren entwickelt :-)

Ich weiß, dass zum Teil in der Öffentlichkeit und auch bei einem Teil meiner Kollegen eine andere Vorstellung von Coaching herrscht. Was ist Ihre Perspektive? Teilen Sie meine Ansichten oder sehen Sie das anders? Vielleicht konnten Sie ja auch schon andere Erfahrungen in eigenen Coachings entweder als Klient oder selbst als Coach machen.

Mich interessiert Ihre Meinung sehr und ich bin gespannt auf die Diskussion in den Kommentaren.

Ich freue mich, wenn Sie diesen Beitrag in Ihren Netzwerken teilen.

Dr. Bernd Slaghuis

Ich arbeite als Karriereberater & Bewerbungscoach und habe mich auf Themen rund um die Karriereplanung und berufliche Neuorientierung spezialisiert. Seit 2011 habe ich über 2.000 Angestellte bei ihrem nächsten Schritt im Beruf sowie im Bewerbungsprozess begleitet - über alle Hierarchieebenen und Branchen hinweg - Online oder in meinem Kölner Büro. Meine Erfahrungen teile ich hier im Blog, in meiner SPIEGEL-Kolumne sowie als XING Insider und LinkedIn Top-Voice.

Dieser Beitrag hat 14 Kommentare
  1. Klasse Artikel. Ich kann dem fast uneingeschränkt zustimmen. Den Reiseleiter oder -begleiter mache ich ganz gerne. Allerdings seh ich dessen Aufgabe auch anders: Er kennt die Gegend ganz gut und weiß viele Ziele und Möglichkeiten. Die kann er anbieten. Hinschauen und die Entscheidung treffen, wo die Reise lang geht, sollte der Reisende dann selber treffen.

    Und noch eine wichtige Ergänzung: Als Karriere-Begleiter oder Coach mache ich eines nicht mehr:
    Rechtschreibprüfung.

  2. Hallo Bernd, du triffst es genau. Ich bin von der Persönlichkeit – denke ich – etwas anders, möglicherweise „pädagogischer-zupackender“ geprägt; insofern kann es durchaus sein, dass ich mal klares Feedback gebe. Das mögen gerade auch gestandene Herren älteren Semesters sehr ;-) – wobei mir manche sagen, ich sei ein Chamälion, weil ich mich auf viele einstellen kann und eigentlich nur mit einer Zielgruppe nicht klar komme, und das sind extrem eingefahrene, unoffene und unfaire Leute.
    Aber ich mach das auch in dem Fall Feedback nicht als Hofnarr, sondern überwiegend durch Fragen, manchmal durch eine Provokation und bisweilen auch schauspielerisch „ah, ich sehe Sie suchen ein Wunder. Da bin ich jetzt aber gar nicht richtig.“ (oder so). Es kann auch sein, dass ich deutlich darauf hinweise, dass ich gewisse Wege für schwierig und aussichtslos halte. „Sehen Sie ich bin kein Prophet, aber nach allem was ich bisher erlebt habe, denke ich, dass Sie (z.B. auf dem Holzweg sind).“ Wenn ich das sicher weiß, ist es für mich auch meine Verantwortung, es zu sagen. Beispiel: Gehalt 250.000, Marktwert 125.000. Das sag ich.
    Und hier sehe ich das ein klein wenig anders als du: Bei solchen Einschätzungen ist Branchenerfahrung wirklich wichtig. Ich kenne z.B. das Mediengeschäft und die IT sowie Medizintechnik und das erleichtert mir das Verständnis enorm. Ich kann auch mal den einen oder anderen Tipp geben und ich kann auch besser Small talken. Und letztendlich geht es um Beziehungsaufbau. Nur wenn die Beziehung stimmt, passiert was. Und wenn da jemand mit mir eine Stunde über technische Geräte spricht und ich find das interessant, dient das diesem.
    Wie weit da jeder geht, ist, denke ich Persönlichkeitssache und Erfahrungsgeleitet. LG Svenja

    1. Hallo Svenja,
      vielen Dank für Deinen Kommentar. Chamälion zu sein finde ich ein schönes Bild, solange wir uns selbst dabei treu bleiben. Sich auf sein Gegenüber immer neu einzulassen (hinzuschauen, offen und neugierig zu sein, ohne sofort zu bewerten) finde ich in jeglicher Beziehung mit anderen Menschen wichtig.
      Es ist mir wichtig, Denkprozesse beim Klienten anzustoßen, das gelingt mit Fragen, Provokation und auch mit Geschichten/Metaphern viel besser als mit einem „Das würde ich ja ganz anders machen, und zwar …“
      Klar, auch ich verlasse ab und zu den „absichtslosen Coach“ und werde zum Berater in Gebieten, in denen ich mich auskenne, das wollen viele, also bekommen sie es auch.
      Coaching heißt für mich nicht den Klienten in Watte packen, ganz im Gegenteil: ich finde, wir dürfen dem Klienten ruhig eine ganze Menge zutrauen, solange es respektvoll und wertschätzend ist. Tipps und persönliches, klares Feedback von mir sind vielen Menschen wichtig, es macht aber einen Unterschied, ob ich das ungefragt (ich weiß besser, was gut für dich ist) oder nur auf Nachfrage gebe.
      Ja, ich glaube auch, dass Du eher als Coaching-Methoden anwendende Karriere-Beraterin arbeitest und gerade deshalb auch viele Menschen zu Dir kommen, um explizit Deine Einschätzung – auch als Branchen-Expertin – zu hören. Da ich diese vielfältigen Branchen-Erfahrungen heute nicht habe, ist es mir wahrscheinlich aktuell auch so wichtig, mich eher als Coach statt als Berater in der Arbeit mit Klienten zu definieren. Und mit meinem anderen Standbein bin ich ja auch als Strategie- und Organisationsberater unterwegs, hier kann ich guten Gewissens Berater sein ;-)
      Liebe Grüße, Bernd

  3. Hallo Bernd, Danke, dass du meinen Fehler korrigiert hast, ich wollte es noch ändern, schwupp, war es weg…. Ja, vollkommen richtig. Die Leute wollen von mir Feedback/Einschätzung – und ich gebe das auch gern, immer mit Hinweis auf Risiko und Nebenwirkungen. Ich denke aber auch, dass jemand der NUR coacht auch durch seine persönliche Art und seine Historie und Biografie, ja sogar durch sein Aussehen und Auftreten, schon bestimmte Leute anzieht und andere nicht. Ich habe das mal mit einem extrem Systemisch-Konstruktivistischen Kollegen diskutiert, der meinte, es wäre völlig egal, wer coacht, wenn man streng und strikt vorgeht. Das glaube ich nicht, weil der Coach dann mit seiner Persönlichkeit komplett in den Hintergrund treten müsste, keine Internetseite, keinen Blog, ein weißes Blatt….so wie früher die Psychotherapeuten. In diesem (seinen) Sinne ist jeder, der sich zeigt, schon kein Coach mehr. LG Svenja

    1. Hallo Svenja,
      Fehler… welchen Fehler? ;-)
      Ja, einer der wichtigsten Schlüssel für ein wirkungsvolles Coaching ist aus meiner Sicht der gute Draht zum Klienten. Stimmt der nicht, nützt der größte Methodenkoffer nichts. Und der gute Draht wird doch maßgeblich über Persönlichkeit (auf beiden Seiten!) und der inneren Haltung geprägt. Klienten ist es wichtig, dem Menschen zu begegnen und nicht einem neutralen, weißen Blat, das 50 systemische Fragen auswendig gelernt hat. Ganz davon abgesehen bewegen wir uns in einem Markt und da werden „weiße Blätter“ nunmal nicht gefunden ;-)
      Die Vorstellung, als 100%-Coach ausschließlich systemische Fragen zu stellen und Feedbacks/Einschätzungen sogar abzulehnen, fände ich in meiner Arbeit zudem auf Dauer auch extrem langweilig. Gerade der Austausch mit Klienten und die aus Impulsen heraus neue Entwicklung von Fragen oder Tools machen doch unsere Arbeit erst so interessant und lassen auch uns selbst sich weiterentwickeln.
      Klasse Diskussion, die ich gerne im März beim KEXP-Seminar vertiefen würde.
      Danke, Svenja und viele Grüße nach Hamburg!

  4. Lieber Bernd!

    Zunächst – wieder einmal – herzlichen Dank für derart fundierte, kluge und tiefgehende Gedanken, es ist mir immer eine große Freude, daran teilhaben zu können, werter Kollege.

    Dann: Stimmt, wir Coaches sind so vieles und so vieles eben auch nicht. Bei Deiner Aufzählung kam mir noch der Onkel Doktor in den Sinn…….bzw. die Tante Doktor :-)
    Wir stellen auch keine Rezepte aus und verteilen nicht einfach 3 gelbe und 2 blaue Pillen und dann wird alles wieder gut.

    Und doch sind wir auch immer mal wieder genau all das! Ich sehe es so:
    Ich habe meine klaren Coaching Prinzipien – die recht ähnlich sind mit dem, was Du als Deine Perspektiven eingebracht hast. Im Prinzip handle ich so – und manchmal auch ganz anders. Wenn es der Person und Situation angemessen ist.

    Ein schönes Beispiel dazu: Ein Coachingklient, Abteilungsleiter eines größeren Unternehmens, kommt seit längerem immer mal wieder zu mir, unsere Zusammenarbeit ist sehr konstruktiv, tiefgehend und engagiert – macht großen Spaß mit ihm.
    Eines Tages kam er in die Stunde und ich merkte sofort: Der ist auf 180, kocht vor Wut. Und er sagte sofort: „Frau Stackelberg, ich hab für die heutige Sitzung einen klaren Auftrag an Sie: Bitte hören Sie mir für die erste halbe Stunde nur zu, nicken mitfühlend, schütteln an den passenden Stellen den Kopf und sagen mir hin und wieder, was ich doch für n armer Kerl bin. So bisschen wie ne Mama – geht das? Danach können wir wieder normales Coaching machen.“

    Ich war völlig einverstanden! Er hatte ein klares Bedürfnis, wusste, was ihm in diesem Augenblick gut täte und wusste auch, dass das normalerweise nicht Aufgabe eines Coaches ist. Diese Klarheit und den Mut, diesen Wunsch auszusprechen fand ich klasse. Gesagt, getan! Er wetterte über den dämlichen Kollegen, ich hörte zu, schüttelte den Kopf, sagte ein paar Mal: „Ach, Sie Armer!“, guckte ihn mütterlich an….und bereits nach 20 Minuten lachte er schallend, atmete auf und meinte: „Ach wunderbar, das tat jetzt gut! Jetzt bin ich runter von der Palme – lassen Sie uns loslegen mit dem Coaching!“

    Also: Ich bin zwischendurch vieles außer Coach: Mama, die über den Kopf streichelt, stille Raum- und Zeitgeberin (manchmal ist jegliche Art von Arbeit zu viel, da ists gut, wenn der Klient einfach dasitzen kann, seinen Tee trinkt, aus dem Fenster guckt, vielleicht weint, sich erholt und zur Ruhe kommen darf), auch mal lästiger Drill-Instructor, der liebevoll in den Arsch tritt, auch mal Beraterin und deutliche Impuls-Geberin (immer mit Frage: Ich hätt da nen Impuls, wollen Sie ihn?) …etc….

    Aber ich bin das dann bewusst als Ausnahme, gewünscht vom Klienten als konkreter Auftrag oder wenn ich es für richtig halte und es dann auch explizit sage: Ich sag dann auch mal: „Mir scheint, heut ist einfach mal die Mama dran, richtig?“

    Ich bin sehr neugierig auf weitere Ansichten zu dem Thema!

    Sehr herzlich
    Bettina Stackelberg

    1. Hallo Bettina,

      danke für Deine Sichtweise und das Beispiel aus dem wahren Leben! Auch wenn wir uns (noch) nocht persönlich kennengerlent haben, habe ich gerade das Bild von Dir mütterlich nickend im Sessel vor mir. Sehr schön! :-)

      Nach Deinem und den anderen Kommentaren stelle ich mir diese Frage und kenne eigentlich für mich auch schon die Antwort: Geht es nicht eigentlich darum, dass wir als Coach immer die Zügel des Coaching-Prozesses in der Hand haben müssen? Wenn Du Dir in dem Moment klar drüber bist, dass es o.k. ist, jetzt die Mama zu sein, weil Du daran glaubst, dass es Deinem Gegenüber weiterhilft, finde ich das völlig in Ordnung. Du bleibst dabei die Herrin des Prozesses.

      Ich habe mir die „5 Jobs, für die ich nicht zuständig bin“ unter diesem Aspekt gerade nochmal angesehen und überlegt, aus welchen verschiedensten Situationen aus meinen Coachings ich diesen Beitrag verfasst habe. Es geht doch eigentlich gar nicht darum, genau diese Dinge oben niemals und auf gar keinen Fall zu tun, sondern es geht um den eigenen Impuls, die bewusste oder manchmal auch unterbewusste Entscheidung, ob es in der aktuellen Situation für den Prozess gut und förderlich ist. Mir ist es wichtig, dass ich selbst (und wie Du auch sagst: bewusst) diese Entscheidung treffe und mir eben nicht die Zügel aus der Hand nehmen lasse, nur weil der Klient glaubt, jetzt gerade sei etwas anderes für ihn besser.

      Als Coach bin ich der Experte und verantwortlich für den Prozess, der Klient ist der Experte und verantwortlich für sich und sein Leben. Das ist für mich der eigentliche Kern. Verschiebt sich dies – in welche Richtung auch immer – bin ich der Meinung, dass ein hohes Risiko besteht, dass ein Coaching sein Ziel verfehlt.

      Liebe Grüße
      Bernd

  5. Lieber Bernd,

    vielen Dank für Deinen spannenden Blogartikel!

    Dass Coaches dazu neigen, Erwartungen der Kunden als Jobs aufzufassen, kann ich gut nachvollziehen. ;-)

    Dies erlebe ich auch bei unerfahrenen Führungskräften, wenn sie zum ersten Mal eine Führungsposition übernehmen: Meist meinen sie, sie müssten alle Erwartungen der verschiedenen Akteure erfüllen – quasi als gegebene Aufgaben. Für die Rollenklarheit ist es wichtig, die Erwartungen der anderen zu kennen, dann jedoch eine eigene Position zu beziehen. Genau abzuwägen, welche Erwartungen erfüllt werden sollen, welche unberücksichtigt bleiben und welche verändert werden müssen.

    Deshalb finde ich Deine Abgrenzungen klasse – als bewussten Umgang mit Erwartungen! :-)

    Zwar bin ich selbst in einigen Punkten anderer Meinung: Ich nehme in meiner Tätigkeit öfters unterschiedliche psychologische Rollen ein (Närrin, Einsichtige, Gerechte etc.) – je nach dem, was ich für den Lern- und Entwicklungsprozess des Coachee als notwendig erachte.

    Lieber Bernd, Du hast mich mit Deinen Gedanken angeregt, mein eigenes Coachingverständnis zu hinterfragen. Ich hoffe, mein Blogartikel ist in den nächsten Tagen auch veröffentlichungswürdig.

    Herzliche Grüße

    Barbara

    1. Liebe Barbara,

      danke für Deinen schönen Kommentar! Und es ist doch immer wieder toll, wie wir uns durch unsere Blogbeiträge auch gegenseitig zum Nachdenken bringen. Ich freue mich und bin gespannt auf Deinen Artikel.

      Wie bei Svenja und Bettina steckt auch in Deinem Kommentar ein aus meiner Sicht entscheidender Punkt: „was Du für den Lern- und Entwicklungsprozess des Coachees für notwendig erachtest“. Dann bin ich ganz bei Dir, dass, solange wir als Coach den Prozess fest in der Hand haben, auch mal ein gezielter Rollentausch sinnvoll und für den Klienten förderlich sein kann, um z.B. eingefahrene Denkmuster zu durchbrechen. Das mache ich auch ;-)

      Viele liebe Grüße
      Bernd

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